Text: Christopher von Frankenberg
Fotos: Dave the Chimp
Man muss schon genauer hinschauen, um das Restaurant EAT auf dem Kottbusser Damm zu entdecken. Dave verriet uns vorab, dass es sich zwischen einem blauen Späti und einem Nagelstudio befindet; und tatsächlich, da ist es! Auf einem kleinen Schild an der Fassade stehen drei große Buchstaben: EAT. Das schlichte, schwarze Design der Ladenfront geht neben den grellen Farben der anliegenden Shops fast unter, ja es betont diese sogar.
Von Nahem wird eine liebevolle Holzverkleidung, ein sorgfältig – im Stile alter amerikanischer Diner – beschriftetes Schaufenster und ein grinsendes Apfelmaskottchen auf der Ladentür sichtbar. Im Inneren des kleinen Restaurants setzt sich das schlichte, aber schicke Design fort. Eine Reihe Bücher sind zusammen mit den Zimmerpflanzen die einzigen farbigen Elemente in diesem sonst recht sterilem Ambiente. Hinter der Theke steht Hendrik, der Besitzer des Restaurants und grüßt herzlich über das leise Trällern eines Radios hinweg. Der einzige Gast des Abends sitzt über ein Notizbuch gebeugt, mit dem Gesicht zur Theke, am Ende eines Tisches und arbeitet. Das muss wohl Dave sein.
Who´s Dave the Chimp?
Dave the Chimp ist ein britischer Streetartkünstler, Skater und Vater, der unter anderem in den Neunzigern das englische „Big Cheese“ Musikmagazin mitgestaltet hat. Zu Beginn der Nuller Jahre rief er mit vier Freunden das Artkollektiv „Finders Keepers Crew“ ins Leben und stellte seine Kunst in Museen verschiedener Metropolen rund um den Globus aus. Am ehesten ist der Künstler, der es nicht für nötig hält seine Werke zu unterschreiben, den Fußgängern Berlins durch seine prägnanten Streetart-Charaktere vertraut.
Begeistert von den kreativen, gesunden, abwechslungsreichen Gerichten aß Dave bald mehrmals die Woche im EAT: „Als Künstler habe ich nicht viel Geld, wenn ich also für zehn Euro zu Mittag essen, einen Kaffe trinken und noch ein gutes Trinkgeld geben kann, bin ich ein glücklicher Mann.“ Dadurch kam Dave schnell mit Hendrik, dem Besitzer und Koch von EAT, ins Gespräch, und musste feststellen, dass er zu den wenigen Gästen gehörte, die die Tagesgerichte bestehend aus verschiedenen Salaten, geröstetem Gemüse, Fisch, Fleisch und täglich frisch gebackenem Brot voll auskosteten. Also hatte er die Idee, sein künstlerisches Handwerk kostenfrei für den Erhalt des Restaurants einzusetzen.
Rollos statt Einheitsbrei
Hendrik, sah seinen Traum vom eigenen Restaurant bereits ein halbes Jahr nach der Eröffnung in Gefahr und rechnete damit bei weiterem Ausbleiben von zahlender Kundschaft den Laden bis zum Sommer dicht machen zu müssen. Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen: Der gebürtige Armenier, der im Iran groß geworden ist und seit nun mehr als 30 Jahren in Berlin wohnt, hatte sich Ende Juli letzten Jahres mit EAT den Traum einer eigenen kleinen, gehobenen Küche erfüllt. Dafür musste Hendrik investieren und den heruntergekommenen vietnamesischen Imbiss, den er am Kottbusser Damm übernommen hatte, komplett renovieren.
Nach der Eröffnung gab es nur wenige Leute, die seine kreativen Kochkünste zu schätzen wussten. Der Großteil der Kundschaft wusste nichts mit dem umfangreichen – für Berlin unüblichen – Angebot anzufangen: Ein Beispiel sind seine vegetarischen „Rollos“: eine Art Wrap gefüllt mit Spinat, Gouda, Parmesan und einer Eier-Senf-Soße, der zum Schluss im Ofen überbacken wird. Ebenfalls eine eigenwillige, aber großartige Spezialität: die gefüllten Paprika, serviert mit einer Banane-Ingwer Soße.
Besucher aus dem Viertel gestanden Hendrik beim ersten Besuch, den Laden zuvor nie wahrgenommen zu haben. Seine mediterrane Küche kam bislang nicht bei den Gästen an: „Viele Kunden fragten mich, ob ich denn nichts Schnelles für unterwegs habe, was dazu führte, dass ich Falafel ins Angebot nahm. Für manche kam diese Anpassung an das gängige Angebot vor Ort schon fast einem Aufgeben gleich.“
Pimp My Diner
An dieser Stelle beschloss Dave ins Geschehen einzugreifen, indem er ein neues touristenfreundliches englisches Menüboard und die dazu passende Karte gestaltete. Um die Kunden zum Verweilen zu bewegen, sammelte er englische und deutsche Bücher in seinem Freundeskreis und funktionierte eine ungenutzte Theke in eine kleine Bibliothek um: „Die Idee dabei war, die bereits vorhandene Struktur zu verwenden, sie aber wärmer, freundlicher und nützlicher zu gestalten.“ Der Kunde hat nun die Möglichkeit vor Ort zu lesen oder die Bücher gegen ein Pfand mit nach Hause zu nehmen.
Im nächsten Schritt nahm er mit Juliane die Schaufensterscheiben und die Außenfassade des Restaurants in Angriff. Für die Schaufensterscheiben entwarf Dave Gemüse-Maskottchen, die auf das gesunde Konzept verweisen. Die Schrift des Schaufensters gestalteten die beiden klassisch und gut lesbar im Stile alter amerikanischer Diners. Juliane ist Restauratorin und Designerin und hat unter anderem dem Blumenladen Blattgold in der Weserstraße ein neues Aussehen durch ein Holzmosaik verpasst. „Ich will die ortsansässigen Läden unterstützen, damit sie nicht von den aufkommenden Ketten verdrängt werden.“
Pläne für die Zukunft
Trotz der Bemühungen der beiden Künstler blieb der erhoffte Besucheransturm jedoch bislang aus. Das Team lässt sich dadurch aber nicht entmutigen. Geplant sind des Weiteren eine Ausstellung mit Daves aktuellen Arbeiten sowie neue Projekte im Außenbereich. „Im Team zu arbeiten macht einfach Spaß“, meint Dave. Die beiden haben nun die Firma „Studio Elm“ gegründet, um in weiteren Projekten Schilder und Wände zu gestalten. Am 21. März wollen sie mit einem Frühlingsfest vor dem Laden einen neuen Versuch für mehr Aufmerksamkeit starten – und dem EAT endlich zu seinem wohlverdienten Status als kulinarischer Geheimtipp im Kiez verhelfen. Wir drücken die Daumen!
EAT
Kottbusser Damm 94
Öffnungszeiten täglich 11 – 22 Uhr
Frühlingsfest und Ausstellung diesen Samstag 21.03. 16.00 – 19.00 Uhr