Video: Simon Höhne
Auf dem Parkplatz am Kanal steigt eine kleine Technoparty. Die Füchse haben eingeladen. Aus den Boxen eines aufgepimpten Hondas dröhnen die Bässe. Weiter oben tapst ein Zombie-Wolf schlurfend Richtung Hotelhalle. Drinnen sammelt ein Wachhund gerade mit aufblasbarem Hammer, resolut Geld für den guten Zweck. Kommt ein Gast heute ins Hotel Estrel, glaubt er, es herrsche Karneval. Willkommen auf der Eurofurence 2014!
Furries (zu deutsch „Pelzis“) sind Individuen, die ihrem Hobby detailversessen nachgehen. Die meisten Kostüme sind Maßanfertigungen. Wer sich die 800 bis 5000 Euro nicht leisten kann, trägt ein „tail“ oder einen Kopfschmuck des jeweiligen Tieres. Dazu kreieren die Teilnehmer ihren eigenen „Character“. Sie sind Tiere mit menschlichen Eigenschaften. Manche stellen das Sprechen ein und zeigen nur tierische Gestik und Mimik. An fast jeder Ecke im Estrel wird an diesem Tag gekratzt oder gestreichelt.
2000 „Character“ im Hotel Estrel
Willion dagegen spricht. Er kommt aus Stuttgart und ist bereits seit 2008 dabei. Warum das Furry-Dasein seine Leidenschaft geworden ist? „Es sind die Momente, wenn man mit seinem Kostüm, anderen eine Freude machen kann.“ Kurz nachdem er das sagt, sausen zwei kleine Mädchen in rosa T-Shirts durch die Hotellobby und bleiben plötzlich vor dem Pelz-Löwen stehen. Sie wollen ein Foto. Kriegen sie. Willion mag das Kreative an den Furries. „Sich einen richtig guten Character einfallen zu lassen, das ist das Interessante daran.“
Damit die Furries sich frei und größtenteils ungestört auf der Convention bewegen können, gibt es einen Sicherheitsdienst, der Teil der Inszenierung ist. An den Uniformen hängen Walkie-Talkies, Fake-Schlagstöcke und Abzeichen. Furry Coventions ziehen in den USA jährlich 25.000 Besucher an. In Deutschland ist das Ganze noch überschaubarer. Schätzungsweise 8.000 Fans leben hierzulande. Die Eurofurence ist mit 2.000 Teilnehmern das größte Treffen seiner Art in Europa.
Der Urlaub fürs Gehirn
Fünf Tage war das Hotel Estrel vergangene Woche Schauplatz des Festivals der Pelzis mit Workshops, Präsentationen, Tanz-Wettbewerben, Konzerten, Partys und und und. Shadow, ein Fuchs mit dunklem Fell, meint nur: „Das hier ist mein Urlaub.“ Denn jeder Teilnehmer könne hier die Instinkte seiner Figur frei ausleben. Der alljährliche Urlaub fürs Gehirn.
Für Löwe Willion ist das kollektive Kostümtragen keinesfalls ein Fetisch. Es gehe zunächst um die Gemeinschaft, um das Treffen von Freunden, um Austausch und um eine gute Zeit. Im Vordergrund stehe die Rolle. Man schlüpft hinein und schafft sich so eine neue, ganz eigene Realität. Ein Spaß. Mehr nicht.