„Gemeckert wird immer“

Viola Fiedler-Babin ist Fußball-Schiedsrichterin aus Neukölln. Wir sprachen mit ihr über Frauenfeinde,  Zuschauer mit Macheten und Spieler, die ihre Hose runterlassen.

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Montag, 28. März 2011

neukoellner.net: Frau Fiedler-Babin, was hat sie bewogen zur Pfeife zu greifen?

Viola Fiedler-Babin: Meine Tochter. Sie hat angefangen Fußball zu spielen und da mussten immer Betreuer, Trainer oder Eltern die Spiele leiten. Aber immer gab es was zu meckern. Bis ich gesagt habe: Schluss damit, ich mach den Schiedsrichterschein. Mein Verein ist DJK Schwarz-Weiss Neukölln. Bis heute habe ich es nicht bereut, denn es ist ja ein schönes Hobby.

In welchen Ligen sieht man Sie?

So wie jeder Schiedsrichter hab auch ich mit Jugendspielen angefangen. Ansonsten pfeife ich keine Jugend mehr, es sei denn ein Schiedsrichter kommt nicht, dann spring ich schonmal ein. Grundsätzlich pfeife ich Bezirksliga und an der Linie bin ich in der Landesliga im Einsatz.

Geht es bald noch höher hinaus?

Mein Verhängnis ist, dass ich bereits in den Dreißigern war, als ich anfing, deshalb wird es schwierig. Aber Landesliga pfeifen mit zwei Assistenten an der Linie, das würde mich schon reizen. Vielleicht hab ich noch das Glück.

Viele Schiedsrichterinnen leiten nur Spiele von Frauenteams, sie pfeifen auch die Männer, sind die nett oder werden sie auch mal beschimpft?

Im Umgang gibt es keinen großen Unterschied zu den männlichen Schiris. Sicherlich geht es mal härter zu, oder es hagelt Kritik, wenn Spieler mit meinen Entscheidungen nicht einverstanden sind. Sehen sie, gemeckert wird ja immer, auch beim Frauenfußball, da nehm ich mich als aktive Spielern nicht aus. Emotionen gehören dazu. Aber im großen und ganzen bin ich ganz gut anerkannt worden von den Männern.

Gab es schon frauenfeindliche Sprüche?

Das verkneifen sich die Spieler. Bislang habe ich es erst einmal als Linienrichterin von Zuschauern erlebt. Da kamen dann so Sprüche wie „Frauen an den Herd“ und man hätte ja gar keine Berechtigung hier zu winken. Aber kein Problem. Ich bin einfach grinsend die Linie hoch und runter.

Ihr kuriosestes Erlebnis?

Ich musste mal einem Spieler die Rote Karte verpassen. Und als der sich auf den Weg machte, das Spielfeld zu verlassen, hat der junge Mann doch tatsächlich seine Hose runtergelassen und mir den blanken Hintern entgegengestreckt (lacht). Sowas kommt nicht alle Tage vor. Dem Spieler blieb das Grinsen aber im Halse stecken, denn seine Sperre fiel danach höher aus.

Es kommt aber leider auch zu Gewalt auf dem Platz. Vor kurzem mussten sie das Spiel  Eintracht Südring gegen 1. SV Galatasaray abbrechen, weil Spieler mit einer Machete bedroht wurden…

Das war schlimm. Wir alle waren geschockt. Aber nicht das ein falscher Eindruck ensteht, es war die große negative Ausnahme in meiner bisherigen Karriere. Die Spieler haben den Abbruch zum Glück sofort akzeptiert, denn nach so einem Vorfall rückt das Sportliche natürlich vollkommen in den Hintergrund. Da kann keiner mehr einem Ball nachrennen. Am Ende müssen wir froh sein, dass niemandem etwas passiert ist.

Welche persönlichen Auswirkungen hatte der Vorfall?

Mir war zum Heulen zu Mute, nur das ging nicht, dafür war die Anspannung viel zu groß. Die Tränen kamen erst später in der Kabine. Aber man gibt jetzt nicht mehr Acht bei den Spielen, wenn sie das meinen. Die Angst muss man einfach ausblenden können, sonst macht das Pfeifen keinen Sinn mehr. Es ist wie nach einem Autounfall wieder hinter dem Steuer zu sitzen: Am Anfang ist einem etwas mulmig, nach der ersten gefahrenen Kurve denkt man nicht mehr dran.

Ärgern sie Fehlentscheidungen?

Klar. Gerade bei den späten Spielen am Abend ist es mir schon passiert, dass ich Abseits gepfiffen hab und da stand noch einer. Dann gebe ich Schiedsrichterball. Das ist ärgerlich, aber die meisten Spieler nehmen das Positiv auf, wenn wir einen Fehler zugeben. Wir sind eben auch nur Menschen.

Was würden sie den jungen Mädchen raten, die selbst zur Pfeife greifen wollen?

Sie sollten behutsam anfangen und Stück für Stück selbstbewusster werden. Denn letztlich ist es wie bei einem Fußballprofi: Man kann schnell hochkommen, aber genauso wieder runterfallen. Deshalb halte ich nichts davon junge Schiedsrichterinnen nach guten Leistungen sofort höherklassig pfeifen zu lassen. Man sollte die Mädchen behutsam aufbauen.

Danke für das Gespräch!