Ticktack, Ticktack, Ticktack – eine Armada von kleinen Weckern türmt sich vor mir auf auf. „15 Minutes of Infinite Time“ verspricht ein Zettel, auf dem ich dazu aufgefordert werde mir einen Wecker zu nehmen und mit ihm eine Viertelstunde lang durch die Ausstellung zu streifen. Die erste Beobachtung: Hier, in einem Kellergewölbe auf dem Gelände der Passage am U-Bahnhof Karl-Marx-Straße, scheint die Zeit, trotz tickender Uhr in der Hand, seltsam langsam zu vergehen. Die Geräusche vom Innenhof, das gleißende Licht der Mittagszeit sind wie ausgelöscht.
Sieben „Sound Studies“-Studierende von der Universität der Künste bespielen das Kellergewölbe mit ihren Installationen. „KlangZeitGefühl“ haben sie die Ausstellung genannt, die aus einem theoretischen Seminar zum Thema Zeit geboren wurde. Der wissenschaftliche Überbau ist bei manchen Arbeiten dann auch deutlich spürbar. Gleich zu Beginn erwartet mich ein bedeutungsschweres Zitat des französischen Philosophen Gilles Deleuze. Es geht um einen Kristall, um Vergangenheit und um Gegenwart. Minuten vergehen, bis ich die Lektüre verdaut habe. Dass das Verdauen nicht im Verstehen mündet, wird mir inmitten der Klanginstallation von Gregor Pfeffer deutlich. Die Referenzen zu Deleuze sind zwar deutlich erkennbar, nur scheint Pfeffers‘ „Zeitkristall“ neben seinem philosophisch schwergewichtigen Vater ein wenig an Platznot zu leiden. Auch andere Arbeiten dieser Ausstellung kämpfen mit dem Spagat zwischen Theorie und künstlerisch-klanglicher Umsetzung.
„One Day From the Life of a One-Day Fly“ von Martyna Poznańska bildet dabei eine willkommene Ausnahme. In einer bizarren Versuchsanordnung seziert die Studentin das klangliche Leben von Fruchtfliegen. Während sich die Miniaturinsekten in einem Glaskasten unermüdlich an langsam verwesenden Melonen- und Bananenstücken laben, wird ihr Flügelschlag aufgenommen und verstärkt abgespielt. Das Ergebnis ist faszinierend und erzählt mehr über das Mysterium der Zeit als ein philosophischer Diskurs.
Gleiches gilt für die Arbeit „Jetzt“ von Lukas Grundmann. Er lässt zwei Schallplatten abspielen, die abwechselnd das Wort „Jetzt“ erklingen lassen und im Verlaufe der Zeit immer stärker rauschen. Das Deleuze-Zitat, das er seinem Werk zur Seite stellt, ist aber auch an dieser Stelle schlichtweg unnötig. Denn: Grundmanns‘ künstlerische Position wird auch ohne theoretische Verstärkung deutlich. Nach den sieben sehr unterschiedlichen klanglichen Experimenten zum Thema Zeit zeigt ein Blick auf meinen Wecker: Statt geplanter 15 Minuten war ich 50 Minuten in der Ausstellung und habe dabei die tickende Uhr in meiner Hand vollkommen vergessen.
PAS-16, Kegelkeller- Passage, So 10 bis 19 Uhr