Aber keine Tischdeckchen, bitte

haeckelkleiderstangeInmitten von gehäkelter Spitze und pastellfarbenen Stoffproben findet sich ein Klub ziemlich begabter Frauen zum Frühstücksritual zusammen: Ritas Häckelclub e.V. Ihre Vision: Ein rentables Arbeitsmodell mit fairen Aufstiegschancen. Und: aufsehenerregende Accessoires.

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Dienstag, 16. Dezember 2014

Text: Genna-Luisa Thiele; Fotos: Michael Kuchinke-Hofer

Ann-Kathrin Carstensen vertraut für ihre Kollektion „Rita in Palma“ auf das Handwerk ihrer türkischen „Häkelköniginnen“. Das integrative Projekt bietet den Frauen die Chance, auf kreativer und finanzieller Ebene fester Bestandteil des jungen Unternehmens zu werden.

Ann-Kathrin, woran arbeitet ihr gerade?
Im Moment produzieren wir BHs, Pasties und String-Tangas für das KaDeWe. Außerdem kooperieren wir mit dem Handschuhhersteller Roeckl. Es gibt viel zu tun!

Ihr häkelt wirklich eine Dessous-Linie?!
Ja, in der Tat. Wir haben viel Spaß dabei, weil alles auch anprobiert und angepasst werden muss. Das gibt manchmal schon ein ziemliches Gelächter und Gefummel.

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Das kleine gehäkelte Schwarze.

Was für eine Ausstrahlung verleihen eure Stücke einer Frau?
Sie sieht gleich noch viel schöner aus. Sie wird Heiratsanträge noch und nöcher bekommen! Gesunde, schöne Kinder…nein, das war ein Scherz. Aber man steht sofort aufrechter da, wenn man unsere feinen Kragen oder Unikate trägt.

Entstehen mittlerweile aus euren vertraulichen Treffen auch Freundschaften?
Wir unterstützen unsere Mitarbeiterinnen bei all ihren Problemen. Ritas Häkelclub e.V basiert auch auf sozialer Arbeit. Da begrüßen wir ein freundschaftliches Verhältnis. Wir machen Betriebsausflüge und frühstücken jeden Tag gemeinsam. Im Grunde haben wir ein zweites, deutsch-türkisches Wohnzimmer geschaffen: Hier arbeitet und amüsiert sich eine ganz besondere Frauengemeinschaft.

Apropos Deutsch: Deinen Kolleginnen bietest du einen Sprachkurs an. Lernst du eigentlich auch Türkisch?
Ja klar, wir alle! Gülcan lernt auch Türkisch, sie spricht nämlich sonst Zaza, das ist ein kurdischer Dialekt.

 

Und wer ist eigentlich Rita?
Rita ist meine Oma. Aber der Name der Kollektion, „Rita in Palma“, ist einfach ein Kunstentwurf.

Hat dich denn Oma Rita auf diese Idee gebracht?
Es fing an mit „Ritas Socke“, einem Prototyp aus meinem Modedesignstudium. Ich wollte schon länger ein eigenes Unternehmen gründen und eines Abends ist mir wieder die gehäkelte Socke eingefallen. Mich hat der Geistesblitz getroffen: In Berlin, wo es diese große türkische Gemeinschaft gibt, ist Handgearbeitetes doch die genialste Geschäftsidee der Welt! Die Socke haben wir übrigens noch im Sortiment.

War es leicht, die Community für dein Projekt zu begeistern?
Die Inhaber unserer Eck-Dönerbude haben mir geholfen. Wir haben ganz klassisch Laufzettel in türkischen Bäckereien in Kreuzberg und Neukölln verteilt. Das war ein lieber Aufruf an Frauen, ob sie für uns häkeln würden. Es kam nur leider gar nichts zurück, nicht ein einziger Anruf.

Wie habt hat ihr dann zueinander gefunden?
Wieder und wieder bin ich zu deutsch-türkischen Vereinen gestiefelt, in denen sich Frauen eben treffen und handarbeiten. Da stand ich vor diesen riesigen Gruppen von über 30 häkelnden Frauen und kam einfach nicht an sie heran. Es half kein Betteln, keine Übersetzung. Als ich die Hoffnung schon fast aufgegeben wollte, half mir mein Sohn unerwartet: Auf dem Rückweg von der Kita besuchte ich einen Verein mit ihm in der einen und dem Muster-Kragen in der anderen Hand – und plötzlich war das Vertrauen da.

Außer Sprachbarrieren: Wie meistert ihr Hindernisse?
Wir haben die Überzeugung: Für jedes Problem gibt es Lösungen. So sind wir zusammengewachsen. Ich glaube es ist ein sehr nachhaltiges Gleichgewicht aus Geben und Nehmen entstanden, auch wenn „Ritas Häkelclub e.V.“ noch etwas den Geldbeutel schwächt. Wir sind überzeugt von der Idee. Außerdem bekomme ich heute wesentlich mehr Unterstützung: Rosa und Mia kümmern sich verstärkt um die Öffentlichkeitsarbeit für den Verein. So kann ich mich besser auf die Kollektion konzentrieren. Intern sind wir aber alle bemüht, „Ritas Häkelclub“ als unabhängiges Projekt zu etablieren.

Wo soll es in Zukunft mit „Ritas Häkelclub e.V.“ hingehen?
Die „Häkelköniginnen“ sollen genau lernen, was man für eine gute Geschäftsführung braucht und schnellstmöglich auch Anteile an dem Projekt erhalten. Zudem darf unsere Auftragslage gerne weiter so stabil bleiben. Langfristig möchten wir natürlich, dass die Ladys den Laden in Zukunft selbständig leiten.

Dieser Text ist zuerst im Onlinemagazin renk. erschienen.