Gärtnern für den Frieden

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Der Gemeinschaftsgarten Perivoli ist eine grüne Oase inmitten des städtischen Trubels.

Vor 14 Jahren initiierten griechische Senioren das gemeinschaftliche Projekt Interkultureller Garten Perivoli in Britz. Inzwischen gärtnern hier viele verschiedene Nationen gemeinsam auf 3500 Quadratmetern Grünfläche.

Text und Fotos: Silvia Benetti 

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Dienstag, 24. Mai 2016

„Das muss alles weg, dann kommen die Stauden wieder rein. Unglaublich, wie sich das ausgebreitet hat.“ Lisa, eine Stadtplanungsstudentin, zeigt auf die grünen Pflanzen in dem sonst kahlen Beet und rammt die Schaufel in die Erde. Ihre zwei Freundinnen, ebenfalls in Regenumhang und Gummistiefeln, bücken sich nach dem Giersch, einem Unkraut, und reißen die Büschel mit den Händen aus. Es ist ein kühler Samstagnachmittag Ende April in Berlin-Britz, immer wieder nieselt es, es riecht nach Kompost und nassem Gras. Die drei jungen Frauen pflegen das Staudenbeet in der Gartengemeinschaft Perivoli – ein Projekt, das sich seit 2002 für das Zusammenleben der Kulturen einsetzt.

„Ein Stück Natur in die Stadt mitnehmen“ 

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Deniz und Manuel gärtnern seit drei Monaten in Britz. Ihre kleine Tochter ist immer dabei.

Auf dem 3500 qm großen Areal verteilen sich die Beete der Mitglieder, es gibt aber auch gemeinsame Flächen, auf denen unter anderem Walnuss-, Apfel- und Kirschbäume stehen, so wie zwei Lauben mit Küche und ein Werkzeugschuppen. Außerdem gibt es auf dem Gelände einen Teich und einen Kinderspielplatz. Lisa gefiel die Idee gemeinsam mit Menschen verschiedener Nationen zu gärtnern. Die Studentin engagierte sich bereits an der Technischen Universität in Berlin in Projekten für ein positives Zusammenleben von Neuankommenden und ansässigen Einwohnern. Trotz der knappen Zeit kommt sie gerne nach Britz und tauscht ihre Bücher gegen Harke und Gießkanne.

Auch Deniz genießt die Stunden im Garten. Während sie spricht, rennt sie ihrer einjährigen Tochter hinterher, die bekleidet in die volle Regentonne klettern möchte. Die Familie, seit drei Monaten dabei, möchte „ein Stück Natur in die Stadt mitnehmen“, so Vater Manuel, Physikstudent, der mit Deniz und der kleinen Tochter im Neuköllner Schillerkiez wohnt. Als Stadtbewohner vermisst er, sein Kind einfach losrennen zu lassen. Deniz, eine begeisterte Gärtnerin, hat im Internet von dem Verein erfahren und den Wunsch geäußert, sich um eine Mitgliedschaft zu bewerben. Er hatte zunächst Bedenken, dem Projekt nicht genug Zeit widmen zu können, aber bis auf ein paar Pflichttermine sei die Arbeit „sehr entspannt“, sagt er, während er auf die Stängel Portulak in seinem Beet zeigt. Das Schöne an der Gemeinschaft sei eben, dass man immer jemanden findet, der für einen die Blumen gießt, wenn man eine Woche lang keine Zeit hat.

Das Miteinander zählt

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In Gartenschulungen können die Mitglieder das ABC des Gärtnerns von einem Profi erlernen.

An dem kleinen Holztisch auf der Veranda riecht es nach frittiertem Brot. Ayten wirft den runden Teig in das siedende Öl und wendet ihn nach einer Minute. Es handelt sich um Pişi, eine türkische Spezialität. Ayten war bis vor kurzem Köchin in einem Treffpunkt für Pflegebedürftige und verbringt auch sonst gerne Zeit am Herd. Neben der Fritteuse dampft in einer silbernen Teekanne schwarzer Tee, nach türkischer Art gekocht. Auf den anderen Tischen stehen Nudelaufläufe, Muffins und Kuchen, belegte Brote und Kaffee. An den Samstagen, an denen die Gartenschulung stattfindet, bringen die Mitglieder oft etwas mit. Im Perivoli wird nicht nur geharkt und Unkraut gejätet, sondern auch zusammen gegessen, getrunken, und geredet.

ABC des Gärtnerns

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Stavros Gasetoupoulus ist gelernter Gärtner. Er betreut die Schulungen.

Annette, eine Stadtführerin, hat ihre Parzelle seit drei Jahren und pflanzt immer abwechselnd am Frühlingsanfang Frühblüher, später Erdbeeren und im Herbst Astern und Stiefmütterchen, so dass ihr Beet nie kahl ist. Als jemand, der in der Gartenlaube ihrer Eltern aufgewachsen ist, braucht sie ihre kleine Oase in der Natur, als Ausgleich zum Leben in der Stadt. „Ohne das würde ich verrückt werden“, sagt sie, und zeigt auf die roten Tulpen. In der Gartengemeinschaft gehe es wie in einer Familie zu, sagt sie. Auch hier gäbe es manchmal Tiefpunkte in Form von kleineren Reibereien oder Auseinandersetzungen. Am Liebsten genießt sie die Ruhe früh morgens, wenn niemand da ist. „Dann trinke ich meinen Kaffee, schaue den Vögeln zu und bin glücklich.“

Stavros Gasetoupoulus steht auf der hohen Leiter und begutachtet die Äste vom Apfelbaum, auf dem schon Triebe zu sehen sind. Der gebürtige Grieche und gelernte Gärtner ist verantwortlich für die Gartenschule, die zweimal im Jahr an jeweils sechs Samstagen stattfindet. In den Kursen bringt er Interessierten das ABC des Gärtnerns bei. „Ich wusste auch nicht viel, aber ich habe jede Menge dazu gelernt“, sagt die Vereinsvorsitzende Berrin Önler-Sayan, eine energiegeladene Frau mit einer kräftigen Stimme, die viel mit den Händen gestikuliert. Sie wurde auf Perivoli aufmerksam, als sie vor sechs Jahren zu einem Treffen des Neuköllner Migrationsbeirats im Garten eingeladen wurde. Sie fand, dass ein Beet ein gutes Geschenk zu ihrem bevorstehenden 55. Geburtstag sei. Sie engagierte sich immer mehr in dem Verein und wurde schließlich 2014 Vorsitzende.

Alle Beete sind belegt

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Sie sorgen dafür, dass es im Garten rund läuft: Stavros Gasetoupoulus und die Vereinsvorsitzende Berrin Önler-Sayan.

Die Mitgliedschaft sei nicht nur Spaß, es gäbe auch einige Versammlungen, zum Beispiel um zu bestimmen, was repariert oder neu besorgt werden muss, oder um Auftritte auf öffentlichen Veranstaltungen zu organisieren. Berrin Önler-Sayan erzählt von der Werbekampagne, die sie mit den drei anderen Vorstandsmitgliedern im Januar gestartet hat, weil einige Beete frei wurden. „Es haben sich so viele Interessenten gemeldet, dass wir jetzt eine Warteliste haben. Und wir haben wieder Familien“, sagt sie, und lächelt, während die Kinder weniger Meter weiter in Matschhosen und Regenstiefeln zwischen den Bäumen Fangen spielen.

Dass eine syrische Flüchtlingsfamilie ein Beet bekommen hat, freut sie auch sehr, denn für sie sei der Garten eine erste Aufgabe in Deutschland und gleichzeitig eine Möglichkeit, Menschen kennen zu lernen und die Sprache zu üben. „Wir haben so viele verschiedene Nationalitäten“, sagt Berrin Önler-Sayan. Und man merkt, dass in ihrer Stimme durchaus etwas Stolz mitschwingt.

Interkultureller Garten PERIVOLI e.V.
Koppelweg 102
12347 Berlin-Neukölln (Britz)
www.interkultureller-garten-perivoli.de

 
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