„Wir wollen gesehen werden!“

Seniorenwahl 2011 in NeuköllnElektropartys in Kellerlöchern, Galerieeröffnungen in leerstehenden Gewerberäumen – das interessiert diese Neuköllner nicht sonderlich. Ihre Themen sind die Angst vor dem Leben im Pflegeheim und gemeinsame Tanzabende. Zu Besuch bei der Wahl der Seniorenvertretung Neukölln.

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Sonntag, 13. November 2011

Text: Katrin Gottschalk

Der Duft von Kaffee weht durch den Gang, das Gebäck wird gerade auf Tellerchen platziert, der erste Rollator schiebt sich in den Raum. Im Rathaus Neukölln stellen sich die 24 KandidatInnen für die Seniorenvertretung Neukölln vor, die vom 7.-11. November für fünf Jahre gewählt wird. Kandidieren kann fast jeder – unter zwei Bedingungen: Man muss mindestens 60 Jahre alt sein und in Neukölln leben.

Solche Seniorenvertretungen gibt es in den Bezirken Berlins schon seit Ende der 80er Jahre, 2006 wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Einflussnahme der Vertretungen in der städtischen Politik regelt. Die Bedürfnisse und Wünsche der Senioren sollen gehört werden. In Neukölln sind das immerhin rund 50 000 Menschen – an einem Ort, der in rasender Geschwindigkeit jünger, hipper und lauter wird.

Monika Dames kandidiert heute zum ersten Mal. Die 70-Jährige hat an den unterschiedlichsten Orten in Neukölln gewohnt und sich immer wohl gefühlt. Jetzt lebt sie mit ihrem Hund auf der Weserstraße – dieser verdammt lauten samstäglichen Partymeile. „Ach, ist doch schön, wenn ein bisschen mehr Leben in der Straße ist! Ich mag auch die vielen kleinen Geschäfte, die es hier jetzt gibt.“ Eine andere Kandidatin freut sich auch über ihre neuen NachbarInnen: „Die Studenten sind sehr nett und tragen meine Einkaufstüten nach oben.“ Beide finden es gut, wenn Jung und Alt sich mischen.

Peter Hermann, 68, will auch als Rentner am Leben teilhaben: „Als älterer Mensch in dieser Gesellschaft wird man ja ignoriert. Wir wollen gesehen werden!“ Daher die Seniorenvertretung. Für die meisten in der Runde ist das Leben in Pflegeheimen ein gewichtiges Thema. Davor haben alle irgendwie Angst. Denjenigen, die keine andere Wahl mehr hatten, wollen sich die Zeit dort zumindest verschönern. Innerhalb der Sozialkommission der Seniorenvertretung organisieren die RenterInnen Geburtstage von älteren Leuten im Heim. Es soll Kuchen geben, Musik und wenn es geht auch Tanz. Zu den Geburtstagen sind alle eingeladen. Wer samstags also mal Lust auf Walzer, Kaffee und Geschichten von früher statt Beats, Bier und Bartalk hat, sollte vielleicht schon mal die Abendgarderobe heraus holen.

Wie die Wahl ausgegangen ist und was es sonst noch Wissenswertes über die Seniorenvertretung gibt, findet Ihr auf der Webseite zur Seniorenwahl beim Hauptstadtportal.