Robert und seine Hunde

Robert ist mit seinen Hunden so gut wie jeden Tag auf dem Tempelhofer Feld unterwegs.

Es gab viel Bewegung in Roberts Leben. Immer konstant geblieben ist die Liebe zu Hunden. Bei einem Spaziergang auf dem Tempelhofer Feld sprachen wir mit ihm über klare Ansagen, verschiedene Hundetypen und seine persönliche Horrorvision vom Altwerden. (mehr …)

Samstag, 7. April 2018

Es ist kalt und regnerisch an diesem Januarmorgen. Ein eisiger Wind fegt über das Tempelhofer Feld. Die kahlen Baumkronen, die wie kleine Leuchttürme in der Weite des Feldes herausragen, biegen sich zur Seite. Wer kann, bleibt zu Hause oder zumindest nicht zu lange draußen. Robert muss raus, denn er hat drei Hunde, die sich bewegen wollen. Von Weitem sind ihm die 69 Jahre nicht anzusehen. Mit schnellem Schritt läuft er durch den Eingang Oderstraße auf den Hundeplatz zu. Das hier ist sein Revier. Hier kennt er so gut wie jeden Hund – die meisten spricht er mit Namen an und er weiß, wie sie ticken. Ob einer zum Beispiel „die Hosen an hat“ oder „nur nach der Pfeife der anderen tanzt“. Und er fühlt sich verantwortlich für den Platz. Dazu gehört auch, dass er gewissenhaft jeden Hundehaufen wegmacht – auch wenn er nicht von seinen eigenen Hunden stammt.

Das Glas ist bei ihm immer halbvoll und nicht halbleer

Seine Hunde – das sind Theodor („Theo“), Felicitas („Filli“) und Schiri. „Komm, Kind, gib mal her“, sagt Robert zu Schiri, einer schwarzen Dobermann-Mix-Hündin und nimmt ihr den Ball ab, um ihn gleich darauf wieder quer über den Platz zu werfen. Wenn ihn etwas nervt, sagt er zu den Hunden aber auch schonmal, dass sie sich „verpissen“ sollen. Die leisen Zwischentöne sind Roberts Sache nicht. Er äußert sich lieber deutlich und manchmal auch derb. Zwischen Menschen und Hunden macht er da keinen Unterschied. Mit fast 70 sieht Robert keinen Grund mehr, sich zu verstellen oder es irgendjemandem Recht zu machen. „Ich provoziere gerne“, sagt er und klingt dabei ein bisschen stolz. Und er sagt auch, dass es Leute gibt, die ein Problem damit haben, dass „ich nach Hund und Zigarillo rieche“ und dass „meine Bude wie ein Saustall aussieht“. Ihm ist das alles egal. Sowieso sei das Glas bei ihm immer halbvoll und nicht halbleer.

Robert ist 69 und lebt seit zwölf Jahren im Schillerkiez. Er ist mit seinen Hunden jeden Tag auf dem Tempelhofer Feld.

Robert ist 69 und lebt seit zwölf Jahren im Schillerkiez.

Seit zwölf Jahren wohnt Robert im Schillerkiez. Er spricht fließend und akzentfrei Englisch, was auf dem Hundeplatz praktisch ist, weil es hier international zugeht. Die Sprache gelernt hat er in Kanada – wo er zusammen mit seinen Eltern Kindheit und Jugend verbrachte. Als 19-Jähriger ging er nach Spanien und von dort dann nach Deutschland: „nach NRW und Osnabrück“, gearbeitet hat er damals als Fernfahrer. In Osnabrück, wo er zusammen mit seiner Ex-Frau und den gemeinsamen Kindern in den Achtziger Jahren lebte, hatte er insgesamt acht Dobermänner. Mit den Rüden ist er oft auf Ausstellungen gewesen: „19-mal haben die V1 gekriegt“, erzählt Robert. V1 ist die höchste Note, die ein Hund bei einer Ausstellung bekommen kann. Ein Hund mit dieser Auszeichnung gilt als Idealtypus seiner Rasse. Inzwischen interessiert sich Robert nicht mehr so für Rassen und „für das Geldmachen mit Züchtungen schon mal gar nicht“. Ihm ist suspekt, dass manche Leute Profit aus Hunden schlagen wollen. Viel wichtiger als Aussehen und Marktwert, ist für ihn die Persönlichkeit eines Tieres, zu unterwürfig dürfe ein Hund zum Beispiel nicht sein. Das langweilt ihn.

„Autorität ist auch ein Zeichen von Liebe“

Theo, Filli und Schiri sind auf ganz unterschiedliche Weise zu Robert gekommen. Theo ist ein ausgesetzter Hund. Roberts Frau fand ihn im letzten Jahr angebunden an einem Zaun beim Hundeplatz. Trotz seiner imposanten Größe ist der Labradormischling wenig furchteinflößend. Er ist ein gemütlicher Hundetypus, den nichts so schnell aus der Ruhe zu bringen scheint. Filli ist das komplette Gegenteil. Sie ist eher unruhig und wild. Bei ihrer Vorbesitzerin hat sie, so erzählt es Robert, „alles kaputt gemacht“ und war „kaum zu bändigen“. Eine Hündin also, die prinzipiell schwer vermittelbar ist. Als er Filli im letzten Jahr dann übernommen hatte, ramponierte sie zwar ein-, zweimal die Sicherheitsgurte im Auto, mehr aber auch nicht. Sie hat sich schnell ins Rudel eingefügt und musste sich unterordnen. Zu Hause hat nämlich Schiri „die Hosen an und setzt sich durch“, erzählt der 69-Jährige. Wenn er über die Erziehung seiner Hunde spricht, zieht Robert gerne Parallelen zu Kindern. Er sagt dann Sätze wie: „Es muss Grenzen geben“ und „Autorität ist auch ein Zeichen von Liebe“. Einen großen Unterschied gäbe es dann aber doch, gibt er zu: Kinder müsse man irgendwann aus der Verantwortung entlassen, bei Hunden ginge das nicht. „Da wächst nur das Verständnis über die Zeit.“

Dass er die Hunde hat, um sich gebraucht zu fühlen, möchte er aber auf Nachfrage nicht so im Raum stehen lassen. Ihm sei es „generell wichtig, von der Umgebung gebraucht zu werden“. „Gebraucht, nicht missbraucht“, betont er und es schwingt ein bisschen Bitterkeit mit in seiner Stimme, die erahnen lässt, dass es viele Brüche gegeben haben muss in seinem Leben. Nicht mit Hunden, aber mit Menschen. Über manches spricht er, manches lässt sich nur erahnen – ein bisschen erzählt auch sein Gesicht davon.

In Roberts Rudel hat jeder Hund seinen Platz.

Zu seinen drei Kindern ist das Verhältnis ganz unterschiedlich; sie stammen aus verschiedenen Beziehungen. Eine Tochter lebt in England, ein Sohn in Osnabrück. Einen besonders guten Draht hat er zu seinen jüngsten Tochter, die erst 19 ist. Sie würde die Hunde auch nehmen, wenn irgendwas mit ihm wäre. Das sagt er auf Nachfrage, denn von sich aus über das Altern und die eigene Vergänglichkeit zu sprechen, käme Robert nicht in den Sinn. Irgendwann einmal in einem Altenheim zu landen, mit Platzdeckchen auf den Tischen und Schonbezügen über den Sesseln ist eine Horrorvorstellung für ihn. „Man ist nur so alt, wie man sich fühlt“, sagt er und fügt mit einem laut polternden Lachen hinzu: „Ich weiß manchmal noch nicht mal, ob ich überhaupt erwachsen bin oder es sein will“. Mindestens 25 Jahre wolle er noch machen. Und solange er mit seinen Hunden bei Wind und Wetter jeden Tag aufs Tempelhofer Feld gehen kann, klingt das noch nicht mal so unrealistisch.

Dieser Text ist ursprünglich in dem Magazin „Mensch, Alter! Geschichten übers Altwerden im Schillerkiez“ erschienen. Herausgeber ist unser Kooperationspartner „Schillerwerkstatt“.

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