Die Qual der Wahl

Foto: blickpixel, Pixabay, CC0 Creative Commons

Welche Partei will was und warum? Und was bedeutet das für Neukölln? Wir haben die Programme zur Bundestagswahl durchforstet und sie für euch in kleine Häppchen zusammengefasst. Hier kommt die kleine Hilfe für eure Wahlentscheidung. 

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Samstag, 23. September 2017

Rund drei Viertel der in Neukölln lebenden Menschen dürfen an diesem Sonntag wählen gehen. Bei der letzten Bundestagswahl anno 2013 waren 68,5 Prozent der Wahlberechtigten dem Aufruf gefolgt. Der Bezirk lag somit ein wenig unter dem bundesweiten Durchschnitt von 71,5 Prozent. Eine geringe Wahlbeteiligung hat auch damit zu tun, dass viele nicht wissen, was die Parteien so alles in ihren Wahlprogrammen stehen haben. Für diejenigen, die vor lauter Parteien den Überblick verloren haben, haben wir die Themenschwerpunkte zusammengefasst und erklären euch, welche Partei wie zu welchem Thema steht. Da es uns zeitlich gesehen unmöglich ist, alle 42 teilnehmenden Parteien gebührend zu analysieren, halten wir uns an die sieben Parteien, die die besten Chancen auf den Einzug in den Bundestag haben: CDU/CSU, SPD, B’90/Die Grünen, die Linke, FDP und AfD.

Was kommt nach Rütli?

Bildung ist zwar Ländersache, doch viele Neuköllner interessieren sich ebenso dafür, wie man im Bund mit der Thematik umgeht. Neukölln hat seit Jahren mit maroden Schulen zu kämpfen, die Rütli-Schule ist Bundesweit immer noch ein Begriff, die damaligen Zustände immer noch präsent. Die Linke und die SPD werben für gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Uni, die FDP hat das Thema zu ihrem Zugpferd auserkoren. Wem die Bildung seiner Kinder am Herzen liegt, für den lohnt es sich, die Programme dieser drei Parteien einmal genauer zu studieren. Die Union setzt sich vor allen Dingen für die Ausbildung von Fachkräften ein. Die AfD lehnt Inklusion konsequent ab und möchte die Hochschul-Reformen rückgängig machen.

Arbeit ist nicht gleich Arbeit. Viele Deutsche arbeiten in prekären Verhältnissen, viele Neuköllner Bürger ebenso. Sind sie als Leiharbeiter angestellt und arbeiten für einen externen Dienstleister bei Konzernen wie etwa VW, bekommen sie dort für die gleiche Arbeit oftmals nur den Mindestlohn, während festangestellte VW-Mitarbeiter festgelegte Tariflöhne bekommen. Gewerkschaftlichen Schutz gibt es für die Leiharbeiter ebenfalls nicht. Um im Dschungel von Leiharbeit, Lohndumping und Existenzängsten durchzublicken, empfehlen wir diese Folge der Sendung „Die Anstalt.“

Kaum Unterschiede bei Vertragsbefristungen

Solche Zustände wollen die Linke, die SPD und die Grünen abschaffen. Der Befristung von Arbeitsverträgen haben sie ebenso den Kampf angesagt, die Unterschiede der drei Wahlprogramme sind marginal. Die FDP ist für Leiharbeit und Befristungen, die AfD hingegen spricht sich für den gesetzlichen Mindestlohn aus und möchte Leiharbeit auf 15 Prozent der Belegschaft eines Betriebes beschränken. Die Union setzt auf den Dialog zwischen Arbeitgeberverbänden und Arbeitnehmer-Vertretungen. Einen konkreten Plan, den Missbrauch von Leiharbeit zu unterbinden, hat sie nicht.

Kommentar des Autors:

Hierbei darf man nicht vergessen, dass diese Zustände durch die tiefgreifenden Sozialreformen im Zuge der Agenda 2010 von der SPD mitzuverantworten sind und die Fraktion es in den letzten Jahren nicht geschafft hat, die von ihnen verursachten Missstände zu beseitigen, obwohl sie von 1998 an, mit Ausnahme von vier Jahren Schwarz-Gelb, in der Regierungsverantwortung standen. 

Foto: Super an der Spree GmbH

Mehr Polizei gleich mehr Sicherheit?

Sicherheit ist ein zentrales Thema im Bundestagswahlkampf. Die Gefahr des Terrors ist in den Köpfen vieler Bürger präsent. Die Union sowie die SPD fordern 15.000 zusätzliche Polizisten für Bund und Länder. Die Union möchte die bundesweite Schleierfahndung (verdachtsunabhängige Kontrolle von Personen) einführen und den Sicherheitsbehörden Daten von Bürgern leichter zugänglich machen. Die Union befürwortet die Zusage des Bundes an den amerikanischen Präsident Trump, die Rüstungsausgaben bis 2024 auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung anzuheben – das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland betrug 2016 beachtliche 3,11 Billionen Euro, hier ist also eine Menge Geld im Spiel.

Aufrüstung vs. Abrüstung

Die SPD lehnt dies ab, auch Rüstungsexporte sollen limitiert werden. Die Linke möchte Polizisten von einigen Aufgaben, wie etwa banalen Auffahrunfällen, befreien und diese an das Ordnungsamt übertragen. So möchte sie dem Personalmangel entgegenkommen. Rüstungsexporte lehnt die Linke ab, die Aufstockung der Rüstungsausgaben ebenso.

Die FDP möchte die Sicherheitsorgane besser ausrüsten und ist gegen eine Lockerung des Datenschutzgesetzes.

Die AfD ist für die Wiedereinführung der Wehrpflicht und mehr Überwachung. Der Grenzschutz soll ausgebaut, das Strafmündigkeitsalter auf 12 Jahre herabgesetzt werden. Der Zugang zum Waffenschein soll erleichtert werden. Um den „Flüchtlingsstrom“ zu stoppen, möchte die AfD die Grenzen schließen.

Digitalisierung machen alle irgendwie

Das Internet und die damit einhergehende Digitalisierung des Alltages hat einen rasanten Aufstieg hinter sich. Heute ist ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellbar, viele Dinge des alltäglichen Lebens erledigen wir im Netz. Hier möchten alle Parteien in etwa das Gleiche erreichen: Einen bundesweiten Breitbandausbau, das Internet soll vom tiefsten Brandenburg bis hin zur Grenze nach Dänemark schnell, stabil und günstig werden. Die Zeiträume, in denen das geschehen soll, variieren ein wenig von Partei zu Partei. Grüne, FDP und Union wollen zudem ein neues Ministerium, das Digitalministerium, schaffen. Während FDP, die Grünen und die Linke in ihren Wahlprogrammen konkrete Pläne vorlegen, gehen Union und AfD in ihren Papieren nicht genauer auf ihr Vorhaben ein.

Bei Menschlichkeit trennen sich Meinungen und Wege

Flüchtlinge beschäftigen die Bürger in besonderem Maße, hat sich doch mittlerweile gar ein „Wut- und ein Gutbürgertum“ entwickelt. Also Leute, die Flüchtlinge ablehnen und Leute, die die Aufnahme von Geflüchteten befürworten.

Die Union möchte Asylstationen in afrikanischen Ländern errichten, an denen vor Ort über eine mögliche Aufnahme in Deutschland entscheiden werden kann. Ein Einwanderungsgesetz, wie es zum Beispiel Kanada hat, lehnt die Union ab. Auch beim Thema Familiennachzug soll es eine Obergrenze geben.

Die Linke möchte Fluchtursachen, nicht Flüchtlinge bekämpfen. Schutzbedürftige Menschen sollen legal einreisen dürfen. Die Geflüchteten sollen sich, entgegen dem Dubliner Abkommen, aussuchen dürfen, in welchem EU-Land sie ansässig werden.

Foto: Theodora Melnik

 

Die Flüchtlingsfrage beschäftigt viele Menschen

Die AfD möchte Gefängnisse außerhalb Deutschlands errichten, um kriminelle Flüchtlinge dort einzusperren. Den Familiennachzug lehnen sie gänzlich ab. Im Falle, dass ein Land seine geflüchteten Bürger nicht wieder aufnehmen möchte, soll dem jeweiligen Land die Entwicklungshilfe gekürzt werden.

Die SPD und die FDP sind für ein Einwanderungsgesetz, dass es ermöglicht, Fachkräfte nach Deutschland zu holen. Beide Parteien möchten abgelehnte Asylbewerber konsequent abschieben. Die SPD ist jedoch gegen Abschiebungen nach Afghanistan, da es kein sicheres Herkunftsland ist.

Die Grünen fordern die Bekämpfung der Fluchtursachen, sind für schnelle Asylverfahren und für eine Integrationspolitik, die es Menschen, die hierbleiben wollen, erlaubt, dies auch zu tun. Den Familiennachzug befürworten sie ebenfalls. Abschiebungen in unsichere Herkunftsländer lehnen die Grünen strikt ab.

Wenn es nur so einfach mit der Rente wäre…

Soziale Themen wie etwa soziale Gerechtigkeit geistern nicht erst seit gestern durch die Medien. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer, viele Neuköllner Bürger sind davon betroffen. Immer mehr Menschen können nicht mehr von ihrer Rente leben und müssen beim Amt aufstocken. Manchen bleibt auch nichts anderes übrig, als Flaschen zu sammeln, um sich ein klein wenig im Alter gönnen zu können.

Die AfD plädiert für ein Rentensystem, dass aus drei Säulen besteht: gesetzliche, betriebliche und private Altersvorsorge. Wer jahrelang gearbeitet und eingezahlt, aber wenig verdient hat, soll trotzdem eine Rente oberhalb der Grundsicherung bekommen. Die AfD möchte auch eine Rückkehr zum alten Rentensystem, in welchem der Arbeitnehmer nicht mehr als der Arbeitgeber einzahlt.

Geht es gerecht in Deutschland zu?

Die FDP möchte ein Bürgergeld einführen, das Sozialleistungen ersetzt. Das Renteneintrittsalter soll sich mit der FDP jeder selbst aussuchen können, dessen Ansprüche oberhalb des Existenzminimums liegen.

Die Union möchte erstmal alles so belassen, wie es ist und ab 2019 in einer Arbeitsgruppe an Sozialreformen arbeiten.

Die SPD möchte das derzeitige Rentenniveau beibehalten und eine Solidarrente für Menschen, die zu wenig bekommen, einführen. Diese soll oberhalb der sogenannten Grundsicherung liegen.

Die Linke möchte Hartz4 abschaffen, stattdessen soll es eine Mindestsicherung sowie eine Mindestrente geben. Sie fordert 250.000 Sozialwohnungen und eine funktionierende Mietpreisbremse. Die Linke möchte, dass alle Bürger in einen „Gesundheitstopf“ einzahlen, dadurch würden die Beiträge für alle sinken.

Die Grünen wollen das Rentenniveau beibehalten. Sie setzen sich dafür ein, dass auch Minijobber, Selbstständige und Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Damit wollen sie eine Bürgerversicherung finanzieren.

Foto: Super an der Spree GmbH

 

Mythen von Milliarden und Reformversprechen

Steuern und Sozialabgaben zahlen muss jeder, oder etwa doch nicht? Während normale Bürger oftmals die Hälfte ihres Einkommens an den Fiskus abtreten müssen, gelten für Konzerne, Superreiche und Erben andere Regeln und Steuersätze.

Die FDP möchte die Bürger um 30 Milliarden Euro entlasten. Den Solidaritätszuschlag für die neuen Bundesländer würde die FDP, sollte sie regieren, schon 2019 abschaffen wollen. Steuersenkungen sollen für alle Bürger gelten, niemand soll im Programm der Liberalen mehr als 50% seines Einkommens abdrücken müssen.

Die Union verspricht ebenfalls Steuerentlastungen für alle. Der Spitzensteuersatz soll unverändert bleiben. Eine Reichensteuer soll es mit der Union nicht geben. Allzu viel möchte das von Angela Merkel geführte Parteienbündnis nicht ändern.

Die SPD will Familien und Alleinerziehende mit geringem und mittlerem Einkommen entlasten. Der Spitzensteuersatz soll steigen, eine Steuer für Vermögende soll ebenfalls eingeführt werden.

Die AfD will das Steuersystem reformieren, eine Abgabenbremse für Steuern, Beiträge und Gebühren soll im Grundgesetz verankert werden. Entlastet werden sollen alle Bürger. Außerdem sollen  Tarife, Freibeträge und Freigrenzen indexiert werden.

Den Reichen an den Kragen

Die Grünen wollen, dass arbeitende Menschen genauso besteuert werden wie Investoren, also jene Menschen, die von Kapitalerträgen leben. Die kleinen und mittleren Einkommen sollen über einen höheren Grundfreibetrag entlastet werden, sehr reiche Menschen sollen auch hier mehr Geld einzahlen. Ab einem Einkommen von 100.000 Euro pro Jahr soll der Spitzensteuersatz höher werden.

Die Linke möchte ebenfalls kleine und mittlere Einkommen entlasten. Jeder, der bis zu 1050 Euro verdient, soll überhaupt nicht besteuert werden. Eine Reichensteuer gibt es auch im Wahlprogramm der Linken. Ein Vermögen ab eine Million Euro soll mit 5 Prozent besteuert werden.

Keine Wahl ist auch keine Lösung!

Noch ein Hinweis in eigener Sache: Diese Faktensammlung soll eine Hilfe darstellen, sie richtet sich an Menschen, denen die Zeit, Lust oder auch Geduld fehlt, sich die Wahlprogramme der einzelnen Parteien durchzulesen. Es war es uns hier nicht möglich, auf alle Aspekte der Programme einzugehen, wie zum Beispiel die Außenpolitik, die Familien-, Jugend- und Kinderpolitik sowie die Klimaziele. Dieser Artikel soll das Lesen der einzelnen Wahlprogramme keinesfalls ersetzen. Es ist unabdingbar für eine lebendige Demokratie, dass Menschen sich informieren und am politischen Diskurs teilnehmen.

Bitte geht wählen! Danke.

Foto: Super an der Spree GmbH

 
 
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