Krieg statt Pommes

Manchmal die letzte Rettung: „Bei Papa“ gibt es Fast Food frisch vom Grill bis früh in die Morgenstunden. Teil zwei unserer kleinen Sommerserie der Neuköllner Kiezzeitungen über “Essen in Neukölln”.

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Dienstag, 13. August 2013

Wer sich im Schillerkiez spät nachts hin und wieder auf die Suche nach einer warmen Mahlzeit macht, dürfte hier schon mal gelandet sein: Ein roter Teppich auf dem Bürgersteig, Plastikplanen an den Seiten des kleinen Vorbaus, der vor Wind und Wetter schützt, und eine rot-gelb beleuchtete Markise, die „Currywurst – Cheesburger – Hot dog – Pommes“ 24 Stunden am Tag verspricht.

Bei Papa ist eine Institution. Seit 1945. So steht es zumindest auf der Leuchtreklame des Ladens (wofür allerdings die „1“ auf dem Fußball in der Mitte des Schildes steht, ist nicht bekannt). Das geht soweit, dass außer Google kein Mensch hier im Kiez weiß, wo der Kirchhofweg sein soll. Denn dieser heißt im Volksmund längst „Bei Papa’s Weg“, und führt von der Hermannstraße am Friedhof entlang direkt zum Flugfeld Tempelhof. Oder eben zu Papas Imbiss in der anderen Richtung.

Papa Apo am Grill

Der Papa, das ist mittlerweile Apo: kurze schwarze Haare, gutmütiger Blick und ein leicht gequältes Lächeln auf den Lippen. 2005 hat er den Laden übernommen und steht seitdem tagtäglich in der kleinen Bude, frittiert Pommes und brät Currywurst und Burgerfleisch am Grill. Es ist schon fast halb acht Uhr abends, im Hintergrund läuft türkische Musik im Radio, und Apo ist freundlich und doch sichtlich genervt, weil sich sein Mitarbeiter wieder einmal verspätet hat. Um sieben Uhr hätte er übernehmen sollen, doch „das klappt nie“. Der sei immer zu spät, habe den Bus verpasst oder ähnliches. Klar, andere Mitarbeiter seien leicht zu finden, aber die blieben dann auch immer nur drei, vier Tage. „Die wollen nur an das schnelle Geld, aber nicht dafür arbeiten“, erklärt der 33-Jährige.

Currywurst halal

Mitternacht Bei Papa. Einmal Pommes rot-weiß, der Klassiker hier, wie eine Bekannte vom Hörensagen weiß: Einssechzig. Preislich toppen kann das nur die Currywurst für Einsfünfzig – ein Cheeseburger geht für zwei Euro über die Theke. Kulinarisch sollte man auf keine Offenbarung hoffen, aber das Preis-Leistungs-Verhältnis kann sich sehen lassen. Und die Pommes sind bei doppelter Menge dreimal so gut wie die McDonald’s-Konkurrenz vom Hermannplatz.

Von elf Uhr morgens bis fünf Uhr nachts: Fast Food in der Hermannstraße

„Currywurst is halal?“, fragt der Nebenmann pro forma. Der Grillmeister für die Nacht – mittlerweile offenbar doch noch eingetroffen – nickt und deutet auf das leicht vergilbte Zertifikat der Halal-Currywurst-Manufaktur, das hinter einer Glasscheibe klebt. Um einen der Rundtische, eine Konstruktion aus einem rot-gelb-gestreift bemaltem Holzfass mit erhöhter Tischplatte auf einem Metallgestänge, sitzen ein paar Halbstarke und tauschen Prahlereien über Mädchen- und Gefängniserfahrungen aus. Gesprächsfetzen wie „Kein BH, Digga“, „zehn Mädchen im Mini-Rock“ und „die dachten ich bin Popstar“, dringen herüber und verfeinern die Mahlzeit. Ein junges Paar schiebt ein Rad samt Musikinstrument die Straße entlang, kommt vor dem Laden zum Stehen und schaut sich Papas Menü-Auslage an.

Die Kundschaft sei vor allem international, meint Apo, der wohl längst in seinem Bett liegen sollte, um sich für den kommenden Tag zu erholen. Rund um die Uhr ist zwar Bei Papa auch nicht mehr Betrieb, aber von elf Uhr morgens bis fünf Uhr in der Früh deckt man doch einen Großteil des Tages ab. Ob er manchmal ans Aufhören denke? „Oft.“ Die Arbeit mache keinen Spaß und sei zudem gefährlich. Nicht unbedingt wegen Überfällen oder Schutzgelderpressung, davon sei er bisher verschont geblieben, aber die vielen Betrunkenen und die Gegend an sich. Wirklich benennen kann oder will er die Gefahr allerdings nicht. Journalismus würde ihn reizen, als Kriegsreporter in die Krisengebiete reisen und davon berichten. Aber das sei schließlich auch nicht ganz ungefährlich.

Für die Sommerausgabe haben alle Neuköllner Kiezzeitungen einige ihrer Seiten dem gemeinsamen Thema “Essen in Neukölln” gewidmet – wir haben für neukoellner.net daraus ein kleine Sommerserie gemacht. Dieser Text ist ursprünglich in der Juni-/Juliausgabe der Promenadenmischung erschienen.