Krach auf dem Dach

Die Gründer des Klunkerkranichs, der Hedonisten-Idylle auf dem Parkdeck der Neukölln Arcaden, ­bekämpfen sich vor Gericht. Der Streit offenbart die Grenzen der Berliner Hippie-Ökonomie.

Text:

Donnerstag, 1. Oktober 2015

Modernes Unternehmertum

Aber auch das scheiterte. Das Problem: Eine Partei müsste die andere mit einer mindestens sechsstelligen Summe auszahlen. Experten schätzen, dass der Dachgarten über 100.000 Euro Gewinn im Jahr erwirtschaftet. 3 Euro kostet der Eintritt am Abend. Ein Bier 3,50 Euro. Im Sommer bilden sich Abend für Abend lange Schlangen am Eingang. 300 Personen sind aus brandschutzrechtlichen Gründen maximal zugelassen. Im Durchlauf sind aber weitaus mehr Gäste auf dem Dach, die dann gern mehr als ein Bier trinken – schließlich mussten sie lange warten, um hereinzukommen. Die Rede ist von 10.000 Euro Einnahmen an einem durchschnittlichen Wochenendtag. Erstaunlich günstig ist dagegen die Miete – 2.500 Euro im Monat für 2.300 Quadratmeter Fläche. Martinek und Schellenberg sagen, sie hätten bislang kaum Geld verdient, da alle ­Überschüsse in neue Aufbauten und Technik investiert wurden.

Die Rechtsstreitigkeiten zwischen Dorian Mazurek auf der einen und Dorle Martinek und Robin Schellenberg auf der anderen Seite begannen Anfang 2015 und zeigen, wie kompliziert der Sachverhalt ist. Bei dem letzten Termin vor dem Landgericht im September ging es in erster Linie um die Nutzung des Parkdecks 7 der Neukölln Arcaden. Dorian Mazurek wies als Bauherr darauf hin, dass die Nutzung der Fläche derzeit illegal sei. Nachdem Robin Schellenberg und Dorle Martinek die Fläche weiter für Gäste öffneten, ließ Dorian die Nutzung der Fläche gerichtlich untersagen, zum Schutz der Gäste, wie er sagt. Die Frage vor Gericht war nun: Hatte er dazu überhaupt die Befugnis?

Es kommt nur selten vor, dass ein Richter bereits zu Beginn der Verhandlung seine Position verkündet: „Für mich ist die GbR-Sache klar, aber Sie haben heute noch die Gelegenheit, mich eines Besseren zu belehren“, sagte er in Richtung Dorle Martineks. Vier Stunden lang geht es um Vertragsrecht, Verabredungen und Vertrauen. „Sie einigten sich auf ein unsystematisches Zusammenwirken, man könnte auch sagen, auf ein modernes Unternehmertum“, resümierte Richter Spitzkatz. „Aus meiner Sicht scheint es mir aber besser zu sein, wenn man das vorher vertraglich regelt.“ Man könnte es so übersetzen: Hippie-Ökonomie funktioniert nur so ­lange, wie alle einer Meinung sind.

Richter Spitzkatz macht immer wieder deutlich, dass nach seiner Auffassung eine gemeinsame Gesellschaft, eine GbR zwischen Robin Schellenberg, Dorle Martinek und Dorian Mazurek vorliegt. Dorle Martinek entgegnet vor dem Landgericht: „Wir wollten ­Dorian immer wieder die Chance ermöglichen, noch Gesellschafter zu werden.“ Er habe sie aber mit falschen Versprechungen getäuscht und seine Aufgaben nicht erfüllt. Der Richter ist erstaunt: „Dann können sie Schadensersatz verlangen, aber eine gemeinsame GbR liegt dennoch vor.“

Bevor es zu einer Entscheidung kam, zog der Anwalt von Dorle Martinek und Robin Schellenberg den Widerspruch gegen das Nutzungsverbot zurück. Vorerst bleibt Parkdeck 7 geschlossen, doch der Gesellschafterstreit geht weiter. „In der Verhandlung konnten wir erneut nachweisen, dass Dorian Gesellschafter ist“, teilt der Anwalt von Mazurek mit. Die Gegenseite schreibt wiederum: „Wir haben niemals bestritten, dass Dorian Mazurek die Fläche gefunden hat. Entwickelt, aufgebaut und finanziert wurde der Klunkerkranich jedoch von uns.“ Und weiter heißt es: „Hier geht es doch nicht nur um eine gescheiterte Zusammenarbeit, hier geht es inzwischen um ganz konkrete Arbeitsplätze und die Zukunft all unserer zahlreichen Mitarbeiter.“

Am Ende profitieren die Anwälte

Klaus Ulrich Schmolke ist Professor für Wirtschafts- und Handelsrecht an der Universität in Erlangen. Er erläutert, dass für eine GbR oder offene Handelsgesellschaft kein schriftlicher Vertrag vorliegen muss. Auch eine Fahrgemeinschaft ist zum Beispiel eine GbR. Es kommt nur darauf an, dass die Beteiligten rechtsverbindlich einen gemeinsamen Zweck verfolgen wollen.

Es gibt verschiedene Formen einer GbR: Die ­sogenannte „Außen-GbR“, eine Gesellschaft mit ­eigener Rechtsfähigkeit, tritt als solche nach außen am Markt auf. So verhält es sich etwa mit der ­Martinek & ­Schellenberg GbR. Dorian Mazurek beruft sich ­dagegen auf die sogenannte „Innen-GbR“. Dabei besteht nur eine Vereinbarung unter den Gesellschaftern, ohne dass die Gesellschaft selbst als solche nach außen auftritt.

Streitereien in den Sphären der Hippie-Ökonomie sind keine Seltenheit: Es gab Auseinandersetzungen zwischen Kater Holzig und Lichtpark, zwischen Café ­Zapata und Tacheles, zwischen dem Macher der ­Partyreihe Back to Basics und dem DJ WolleXDP. Im Fall des Hamburger Clubs Golden ­Pudel droht aktuell sogar die Teilzwangsversteigerung, weil die Eigentümer sich nicht über die Nutzung einigen können.

Und auch für den Klunkerkranich dürfte die Auseinandersetzung komplizierter werden, wenn das ­Gericht entscheidet, dass Dorian Mazurek Teilhaber vom Klunkerkranich ist. Am Ende dürften vor allem die Anwälte an dem Streit verdienen. Geld, das besser innerhalb des Projektes ausgegeben wäre. Der Traum von einer anderen Form des Berufslebens, von unternehmerischer Selbstverwirklichung endet vor Gericht, der trockenen Welt der Regeln und Paragrafen. Der Titel des Films, „Du musst dein Ändern leben“, scheint da in weite Ferne gerückt.

Dieser Artikel entstand in Kooperation mit dem Stadtmagazin Zitty und ist in der aktuellen Ausgabe zu finden. Außerdem haben wir über die Hintergründe und die Recherchen zum Artikel am 2.10.15 in der Sendung StadtLandFlux bei FluxFM gesprochen. Das ganze zum Nachhören:

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Kommentare:

  • Edmund von Piper sagt:

    Ja, ja.. anfangs arbeiten immer alle ganz engagiert als Gleiche unter Gleichen.. und vor allem UMSONST.. doch sobald die Einnahmen zu sprudeln beginnen, sind dann plötzlich nicht mehr alle ganz so gleich..
    Leider setzen sich bei diesem durchaus üblichen Prozedere i.d.R. die Abzocker-Arschgeigen durch und werden für ihr asoziales Verhalten auch noch damit belohnt, auch weiterhin das alternative Image des Projektes zur Vermarktung nutzen zu können, um massig Knete zu schäffeln.
    davon gibt es in der aktuellen Berliner Alternativ-Erlebnisgastronomie- und Kulturlandschaft – auch über die im Beitrag bereits genannten Beispiele hinaus – noch einige andere Abzocker ..

  • Berliner sagt:

    Wer das Hipster- und Touristengesindel nach Neukölln lockt und mit seiner unternehmerischen Tätigkeit bis tief in die Nacht die Anwohner stört, dem gönne ich gerne diese zivilrechtlichen Querelen vor Gericht und auch drei Jahre Gefängnis. Ich freue mich jetzt schon auf die frei werdenden Parkplätze auf Deck 7 – der Ausblick soll ja ganz schön sein von da oben.

  • Simon sagt:

    Berlin ist voll von jungen Leuten, die wie ganz gewöhnliche Unternehmer agieren und denen noch mehr Leute hinterher rennen, die bereit sind sich selbstauszubeuten, nur weils Lampions und Blumenbeete gibt, und statt Dresscode vegane Snacks.

    Wer für Parties von Unternehmern Musik macht ohne dafür was zu verlangen, ist einfach naiv und wer Mitarbeiter nicht an Entscheidungsprozessen teilhaben lässt und die Produktionsmittel nicht kollektiviert, ist ein ganz normaler Unternehmer, der Ausbeutung betreibt. Dabei von Hippie-Ökonomie und Kollektiv zu sprechen, wie es auch dieser Artikel tut, ist grober Unfug und zeugt von einer genauso unpolitischen Haltung. Die waren nie ein Kollektiv! Dass es dann Arbeitskämpfe und Streit gibt, ist ja klar und das haben die auch nicht anders verdient.

    Nichtsdestotrotz gibt es Formen von solidarischer Ökonomie in Berlin und anderswo. Dafür sind aber basisdemokratische Strukturen und Kontrolle nötig, eine verbindliche Satzung, vertragliche Regelungen usw.

  • Anonymous sagt:

    Eintritt 3 EUR, Bier 3,50 EUR – wenn das mal kein Unternehmertum der großen Sorte ist, weiß ich auch nicht mehr weiter…

  • ja herr pieper sagt:

    leider kommen idR die leute damit durch, weil sich ‚die abgezockten‘ nicht wehen.
    in diesem fall sieht das zum glück mal anders aus und es gibt gegenwird. ziemlich dreckig das ganze, aber vielleicht lernen einige protagonisten aus diesem (und anderen) streitigkeiten mal etwas für die zukunft…

  • ja herr pieper sagt:

    aus wehen wird wehren und gegenwird wird gegenwind. na sie wissen schon!

  • Yvonne sagt:

    Ich erinnere mich noch gut an dieses: „Da sind dolle Leute, die lassen sich was verrücktes Einfallen und erobern sich ihre Stadt!“ und der Faszination, der viele dann folgten und in ehrenamtlicher Tätigkeit Tag und Nacht zimmerten, gruben und träumten. Aus der Traum. Ernüchtert stellt man wiedermal fest, dass der Enthusiasmus den Traum beflügelt, aber die Gier dann doch über den Idealismus siegt. Ich jedenfalls bin heilfroh, damals nicht meinem ersten Impuls gefolgt zu sein und unentgeltlich meine Zeit&Kraft in den Kranich gesteckt zu haben….letztendlich sind doch die Mitträumer die Gelackmeierten und der Kuchen wird nicht mehr geteilt:/. Echt schade, ein flugfähiger Kranich weniger auf der Welt!!!

  • Sven sagt:

    Ich frage mich ja, wie diese Leute es immer wieder schaffen, Idealisten für ihre (letztlich) ganz eigenen und egoistischen Interessen zu begeistern, die sich dann in totaler Selbstopferung den Arsch aufreissen — am Ende dann ja doch nur für die Firmenbilanz.
    Es gibt wohl einige Kandidaten da draussen, die im Studienfach Psychologie/Wie-manipuliere-ich-am-besten/Herdentrieb mit Bestnote abgeschlossen haben. Wirklich interessant, denn am Ende stehen die ganzen Helferlein doch wieder alleine da, falls sie es wagen sollten, mal an dem ein oder anderen Punkt genauer nachzufragen.

  • Ron sagt:

    [Kommentar wegen sprachlicher Verrohung bearbeitet]

    Wie lange sollen wir noch von diesen arroganten Hipstern, die uns täglich wie Abschaum behandeln und Abends dann auch noch den Schlaf durch ihre „Parties“ nehmen, terrorisieren lassen?

  • Max sagt:

    Lieber Ron,
    wer sind denn „wir“ und wer „diese arroganten Hipster“? Solche Verallgemeinerungen sind nie haltbar und anderen Mitmenschen irgendwelche Krankheiten an den Hals zu wünschen, zeugt auch nicht gerade von gutem Stil. Es wäre schön, wenn Du ein wenig sachlicher argumentieren könntest. Dankeschön!