Krach auf dem Dach

Die Gründer des Klunkerkranichs, der Hedonisten-Idylle auf dem Parkdeck der Neukölln Arcaden, ­bekämpfen sich vor Gericht. Der Streit offenbart die Grenzen der Berliner Hippie-Ökonomie.

Text:

Donnerstag, 1. Oktober 2015

Das Märchen vom Kollektiv

Etwas später wollten Schellenberg und Martinek mit anderen im Keller der ehemaligen Kindl Brauerei in Neukölln das Zuhause gründen, eine Mischung aus Club und Theaterprojekt. Für 2012 war die offizielle Eröffnung pünktlich zum Festival 48 Stunden Neukölln geplant. Kurz vor der Eröffnung soll eine anonyme E-Mail an das Ordnungs- und das Bauamt gegangen sein, welches daraufhin Mängel im Brandschutz feststellte und keine Genehmigung für den Betrieb gab (wir berichteten).

Auch für Dorian Mazurek lief in der Zeit einiges schief. Gleich mit zwei Partnern überwarf er sich. Zum einen platzte die Zusammenarbeit mit dem WYSIWYG, das heute unter dem Namen R19 läuft. Zum anderen gab es einen Streit mit dem Restaurant Keule, an dem er als Gesellschafter beteiligt war. Für alle drei sicherlich nicht die beste Zeit – umso größer war die Euphorie, als mit dem Klunkerkranich endlich der wirtschaftliche Erfolg zum Greifen nah war.

Freunde und Freundesfreunde halfen unentgeltlich mit, den Klunkerkranich zu bepflanzen. Künstler und Musiker traten kostenlos auf, um die Finanzierung des Projektes zu ermöglichen. Gemeinsam wollte man ­einen Ort erschaffen, an dem sich alle Berliner wohlfühlen sollten, egal wie sie aussehen oder wie viel Geld sie haben. Schriftliche Verträge spielten anfangs kaum eine Rolle.

Heute entwickelt sich das schöne Märchen vom Kollektiv, das diesen Ort geschaffen hat, immer mehr zu einer bitterbösen Schlammschlacht. Für Dorian Mazurek geht es um sein „Baby“. Er war es, der die Idee vom Kulturdachgarten auf dem Parkhaus hatte. Für Dorle Martinek und Robin Schellenberg geht es wiederum um viel Geld, das sie an ihren Mitgründer Dorian Mazurek auszahlen müssten, sollten sie den laufenden Rechtsstreit verlieren. Und um ihr Image als alternative Unternehmer, als sympathische Wahlfamilie. Das Image war auch immer Teil des Geschäftsmodells.

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Denn mit der Gerichtsverhandlung bröckelt das harmonische Bild. Das Klunkerkranich-Team, das gemeinsam durch Dick und Dünn geht, existiert nicht mehr, auch wenn Robin Schellenberg weiterhin in ­einem Interview im „DRadio Wissen“ von diesem schwärmt.

Der Streit zwischen den drei Gründern teilt mittlerweile auch die Belegschaft in zwei Lager. Vergleichbar mit einem Ehekrach, bei dem die Kinder nun entscheiden müssen, zu wem sie stehen sollen. Rund 100 Mitarbeiter hat das Unternehmen mittlerweile und viele bangen um ihren Arbeitsplatz. „Die Stimmung ist sehr angespannt, da wir nicht wissen, wie wir uns verhalten sollen“, sagt eine Mitarbeiterin.

Dorian Mazurek, Mitte 30 und langjährger Technoveranstalter, muss sich nun vor Gericht bestätigen lassen, dass er Gesellschafter und damit Teilhaber einer gemeinsamen GbR mit Robin Schellenberg und Dorle Martinek ist. Einer GbR, die den Klunkerkranich betreibt. Schellenberg und Martinek behaupten hingegen, er sei nur freier Mitarbeiter gewesen und allein sie betrieben den Klunkerkranich mit ihrer Martinek & Schellenberg GbR, wie auch das Fuchs und Elster in der Weserstraße. Das Pikante: Was eigentlich eine zivilrechtliche Angelegenheit ist, kann strafrechtliche Konsequenzen haben, denn die Streithähne gaben eidesstattliche Versicherungen ab, die sich inhaltlich widersprechen. Im schlimmsten Fall droht für dieses Vergehen drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Nur wer hat Recht?

Shitstorm mit Folgen

Termin im Fuchs und Elster in der Weserstraße. Auf dem Tisch stehen frische Blumen, Gäste sind noch keine da. Robin Schellenberg und Julian Reetz wissen, dass es um das Image des Klunkerkranichs geht, um den Streit mit Mazurek. Sie sind bereit darüber zu sprechen, aber nur widerwillig. Schließlich sei dies eine interne Auseinandersetzung. Publik wurde diese interne Auseinandersetzung durch einen Wut-Post Mazureks auf Facebook. Das löste einen Shitstorm aus, der sich wieder legen werde, wie Schellenberg sagt.

Doch tatsächlich ist ein Kampf ausgebrochen, der den Erfolg wieder zunichte machen könnte, denn alle Versuche, den Streit mit Mediationen zu lösen, scheiterten. Mit professioneller Hilfe wollten Schellenberg und Martinek versuchen, Mazureks Aufgaben im Team klar zu definieren. „Er war unzuverlässig und hat sich nicht an unsere Absprachen gehalten“, sagt Schellenberg. Das sei der Hauptgrund für den Konflikt.

Dorian Mazurek selbst streitet die Vorwürfe ab und sieht sich ungerecht behandelt. Seiner Meinung nach sei das Ziel der Coachings von Anfang an gewesen, ihn loszuwerden und stattdessen Julian Reetz als Gesellschafter einzuführen. Letztendlich sei es nur darum gegangen, möglichst wenig als Abfindung zahlen zu müssen. Er habe daraufhin die Berliner Club Commission zu Rate gezogen, um eine gütliche Trennung auszuhandeln. Für einen angemessenen Betrag wäre er bereit gewesen, aus dem Unternehmen auszuscheiden.

Kommentare:

  • Edmund von Piper sagt:

    Ja, ja.. anfangs arbeiten immer alle ganz engagiert als Gleiche unter Gleichen.. und vor allem UMSONST.. doch sobald die Einnahmen zu sprudeln beginnen, sind dann plötzlich nicht mehr alle ganz so gleich..
    Leider setzen sich bei diesem durchaus üblichen Prozedere i.d.R. die Abzocker-Arschgeigen durch und werden für ihr asoziales Verhalten auch noch damit belohnt, auch weiterhin das alternative Image des Projektes zur Vermarktung nutzen zu können, um massig Knete zu schäffeln.
    davon gibt es in der aktuellen Berliner Alternativ-Erlebnisgastronomie- und Kulturlandschaft – auch über die im Beitrag bereits genannten Beispiele hinaus – noch einige andere Abzocker ..

  • Berliner sagt:

    Wer das Hipster- und Touristengesindel nach Neukölln lockt und mit seiner unternehmerischen Tätigkeit bis tief in die Nacht die Anwohner stört, dem gönne ich gerne diese zivilrechtlichen Querelen vor Gericht und auch drei Jahre Gefängnis. Ich freue mich jetzt schon auf die frei werdenden Parkplätze auf Deck 7 – der Ausblick soll ja ganz schön sein von da oben.

  • Simon sagt:

    Berlin ist voll von jungen Leuten, die wie ganz gewöhnliche Unternehmer agieren und denen noch mehr Leute hinterher rennen, die bereit sind sich selbstauszubeuten, nur weils Lampions und Blumenbeete gibt, und statt Dresscode vegane Snacks.

    Wer für Parties von Unternehmern Musik macht ohne dafür was zu verlangen, ist einfach naiv und wer Mitarbeiter nicht an Entscheidungsprozessen teilhaben lässt und die Produktionsmittel nicht kollektiviert, ist ein ganz normaler Unternehmer, der Ausbeutung betreibt. Dabei von Hippie-Ökonomie und Kollektiv zu sprechen, wie es auch dieser Artikel tut, ist grober Unfug und zeugt von einer genauso unpolitischen Haltung. Die waren nie ein Kollektiv! Dass es dann Arbeitskämpfe und Streit gibt, ist ja klar und das haben die auch nicht anders verdient.

    Nichtsdestotrotz gibt es Formen von solidarischer Ökonomie in Berlin und anderswo. Dafür sind aber basisdemokratische Strukturen und Kontrolle nötig, eine verbindliche Satzung, vertragliche Regelungen usw.

  • Anonymous sagt:

    Eintritt 3 EUR, Bier 3,50 EUR – wenn das mal kein Unternehmertum der großen Sorte ist, weiß ich auch nicht mehr weiter…

  • ja herr pieper sagt:

    leider kommen idR die leute damit durch, weil sich ‚die abgezockten‘ nicht wehen.
    in diesem fall sieht das zum glück mal anders aus und es gibt gegenwird. ziemlich dreckig das ganze, aber vielleicht lernen einige protagonisten aus diesem (und anderen) streitigkeiten mal etwas für die zukunft…

  • ja herr pieper sagt:

    aus wehen wird wehren und gegenwird wird gegenwind. na sie wissen schon!

  • Yvonne sagt:

    Ich erinnere mich noch gut an dieses: „Da sind dolle Leute, die lassen sich was verrücktes Einfallen und erobern sich ihre Stadt!“ und der Faszination, der viele dann folgten und in ehrenamtlicher Tätigkeit Tag und Nacht zimmerten, gruben und träumten. Aus der Traum. Ernüchtert stellt man wiedermal fest, dass der Enthusiasmus den Traum beflügelt, aber die Gier dann doch über den Idealismus siegt. Ich jedenfalls bin heilfroh, damals nicht meinem ersten Impuls gefolgt zu sein und unentgeltlich meine Zeit&Kraft in den Kranich gesteckt zu haben….letztendlich sind doch die Mitträumer die Gelackmeierten und der Kuchen wird nicht mehr geteilt:/. Echt schade, ein flugfähiger Kranich weniger auf der Welt!!!

  • Sven sagt:

    Ich frage mich ja, wie diese Leute es immer wieder schaffen, Idealisten für ihre (letztlich) ganz eigenen und egoistischen Interessen zu begeistern, die sich dann in totaler Selbstopferung den Arsch aufreissen — am Ende dann ja doch nur für die Firmenbilanz.
    Es gibt wohl einige Kandidaten da draussen, die im Studienfach Psychologie/Wie-manipuliere-ich-am-besten/Herdentrieb mit Bestnote abgeschlossen haben. Wirklich interessant, denn am Ende stehen die ganzen Helferlein doch wieder alleine da, falls sie es wagen sollten, mal an dem ein oder anderen Punkt genauer nachzufragen.

  • Ron sagt:

    [Kommentar wegen sprachlicher Verrohung bearbeitet]

    Wie lange sollen wir noch von diesen arroganten Hipstern, die uns täglich wie Abschaum behandeln und Abends dann auch noch den Schlaf durch ihre „Parties“ nehmen, terrorisieren lassen?

  • Max sagt:

    Lieber Ron,
    wer sind denn „wir“ und wer „diese arroganten Hipster“? Solche Verallgemeinerungen sind nie haltbar und anderen Mitmenschen irgendwelche Krankheiten an den Hals zu wünschen, zeugt auch nicht gerade von gutem Stil. Es wäre schön, wenn Du ein wenig sachlicher argumentieren könntest. Dankeschön!