Herr Schmidt macht jetzt in Teigtaschen

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Fotos: Regina Lechner

Start-Up auf dem Marktplatz. Mit polnischer Hausmannskost wollen Rafał und Michał auf dem Hermannplatz ein kulinarisches Zeichen setzen. Dabei setzen sie auf Originalität bis ins Detail. Und auf die Ziehkraft des Namens Schmidt. (mehr …)

Montag, 28. April 2014

Es ist Montag, 12.00 Uhr. Am Hermannplatz spuckt die U-Bahn unablässig Menschen aus. Viele Einzelhändler profitieren davon. Vor den Treppen zur U8 wird aus einem Stand im Minutentakt Kaffee To-Go verkauft, einige Meter weiter gibt es türkische Pasten oder Fleischwaren. Überall drängen sich Menschen. Gegenüber, auf der Seite zur Sonnenallee, läuft das Geschäft für „Pan Kowalski“ langsam an. „Heute ist unser erster Tag auf dem Hermannplatz“, sagt Rafał. Der 26-jährige und sein Kollege Michał bieten auf dem Hermannplatz unter dem Namen „Pan Kowalski“ seit dem 7.4.2014 immer montags polnische Spezialtitäten an. „Die Menschen hier müssen sich erst noch an uns gewöhnen.“

Welche Soße? Sahne oder Rote-Bete-Meerrettich?

Zwar ist keine Menschentraube zu sehen, aber schlecht laufen die Geschäfte nicht. Regelmäßig bleiben Passanten stehen, fragen nach dem Angebot. Einige probieren sich gleich durch alle Pierogisorten. Pierogi, das sind polnische Teigtaschen. Rafał und Michał haben verschiedene Füllungen vorbereitet: Pierogi Ruskie sind der Klassiker, gefüllt mit Kartoffelquark und Zwiebeln; Fleischfüllungen und süße Sahne gibt es auch. „Die Pierogi sind frisch gemacht, auf Wunsch braten wir sie an. Man kann sie hier essen oder in einer Box mitnehmen“, sagt der 24-jährige Michał. „Zu den Pierogi gibt es Sahne oder Rote-Bete-Meerrettich.“

 

Pierogi  To Go

Pierogi To Go

 

In Polen werden Pierogi zu allen Anlässen gegessen, an Feiertagen oder an Namens- und Geburtstagen, aber natürlich auch im Alltag. In kleinen Mengen können sie als Vorspeise, in großen Mengen als Hauptgericht und mit einer süßen Füllung sogar als Nachspeise gereicht werden. Die bekannten und am weitesten verbreiteten Pierogi Ruskie sind nicht etwa mit „Russische Pierogi“ zu übersetzen, wie der Name vermuten lässt. „Ruskie“ ist das polnische Wort für „ruthenisch“ und bezieht sich auf das historische Gebiet „Ruthenien“, das sich heute in Polen, der Ukraine und Belarus befindet und das als Mutterland der Pierogi gelten kann. Im russischen Sprachraum sind Pierogi „Wareniki“.

Sorry, Wodka nur in ganzen Flaschen

Rafał und Michał betreiben Pan Kowalski mit viel Liebe zum Detail und Mühe. Erkennen kann man das an den selbstgedruckten Logos auf den Boxen und den Wodkaflaschen. „Auf unseren Nelkenwodka sind wir besonders Stolz, so einen kriegt man nicht oft“, meint Rafał. Der Wodka entsteht in Eigenproduktion nach einem alten Rezept. Alles soll so schmecken wie „u babci“ – wie bei Oma zu Hause. „Allerdings dürfen wir den Wodka hier auf dem Hermannplatz nicht anbieten“ schiebt Rafał nach“, man darf hier keinen Alkohol ausschenken, sondern nur in geschlossenen Flaschen verkaufen.

 

Polnisches Wässerchen

Polnisches Wässerchen

 

Alle Zutaten, die Rafał und Michał für ihre Gerichte verwenden, kommen aus Polen. Die beiden fahren häufig mit ihrem Wagen über die Grenze und kaufen bevorzugt auf dem Land auf Märkten und in kleinen Läden ein. Selbst die Kartoffeln und die Zwiebeln kommen aus der Heimat. Neben den Pierogi und dem Wodka gibt es bei Pan Kowalski Barszcz, Rote-Bete-Suppe – und zwar in Pappbechern, To-Go. In Polen wird Barszcz als Vorsuppe oder auch als Hauptgericht gegessen. Nicht nur in Polen ist die säuerliche Suppe ein traditionelles Gericht, sondern beinahe überall in Ostmitteleuropa und Russland. Die russische Variante kennt man in Deutschland vor allem „Borschtsch“. „Vielleicht bieten wir auch mal eine andere Suppe an, zum Beispiel Żurek, eine saure Mehlsuppe mit Weißwurst und Ei“, erzählt Rafał, „aber grudsätzlich soll es übersichtlich bleiben, wenige Gerichte.“

180.000 potentielle Kunden

Und wer ist jetzt Pan Kowalski, also Herr Kowalski? Kowalski sei ein typisch polnischer Nachname, so etwas wie die polnische Version des deutschen Herrn Schmidt, erklärt Rafał. Tatsächlich bedeutet das polnische „kowal“ Schmied. „So wie der Name Kowalski sind die Gerichte Pierogi und Barszcz typisch polnisch“, sagt Rafał. „Es wäre doch gelacht, wenn sie hier in Neukölln nicht ankämen.“ In Berlin leben schätzungsweise 180.000 Polen und Polnischstämmige. Damit alleine gebe es laut Pan Kowalski schon eine hohe Nachfrage nach polnischen Spezialitäten. Und die Nicht-Polen wollen Rafał und Michał natürlich auch als Kunden gewinnen.

Bisher sind Pan Kowalski montags auf dem Hermannplatz anzutreffen und in naher Zukunft ebenfalls mittwochs.

 

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