Grün sind alle ihre Kleider

Nein, kein weiteres Café und keine neue Bar in der Weserstraße: Das „WESEN“ ist ein Laden für ökologische Mode mit Nachhaltigkeitsanspruch.

Pünktlich zur Berliner Modewoche haben Mareike Ulman und Jeanette Bruneau Rossow vor gut zwei Wochen das „WESEN“ eröffnet. Im Frontbereich des Ladens verkaufen die beiden Designerinnen die aktuellen Kollektionen ihrer Labels „Format“ und „Treches“ und in den Nebenräumen arbeiten sie an ihren Entwürfen und Mustern. Stolz lächelnd stehen Mareike und Jeanette zwischen den Kleiderstangen und berichten von der aufwändigen Renovierung der Räumlichkeiten, die sie mit Hilfe einiger Freunde bewältigen konnten. „Es haben immer wieder Leute reingeschaut, die dachten, dass wir eine neue Bar aufmachen“, sagt Mareike. Kein Wunder, denn bisher ist das „Wesen“ der einzige Modeladen in der Weserstraße, die hauptsächlich von Cafés und Kneipen geprägt ist.

Mareike Ulman (li.) und Jeanette Bruneau Rossow, „WESEN“-Macherinnen

Klare Schnitte, klare Botschaft

Beide Labels zeichnen sich durch ihre klaren Formen aus. Mareike setzt bei „Format“ derzeit auf Schwarz und ein sanftes Türkis. Die einfarbigen Jacken, Hosen, Kleider und Shirts sind aus Baumwolle oder schimmernder Seide gefertigt. Es gibt keine festen Kollektionen, sondern neue Teile beziehungsweise Farben und Materialien ergänzen nach und nach den Bestand. Auch das heißt für Mareike Nachhaltigkeit: Nicht alle sechs Monate die Kleider komplett austauschen müssen und stattdessen zeitlose Stücke kreieren, die nicht sofort aus der Mode kommen.

Die sportiven Hoodies, Jacken und Shirts von „Treches“ können von Männern und Frauen gleichermaßen getragen werden. Dazu kommen Kleider, Blusen und Jacken für Damen, die sich durch schlichte geometrische Schnitte auszeichnen. Materialien wie Knöpfen und Kordeln versucht Jeanette von alten Kleidungsstücken wiederzuverwenden, um ein möglichst umweltfreundliches Produkt zu erzeugen. Denn auch wenn es auf den ersten Blick nicht auffällt: Im „Wesen“ findet man ausschließlich Kleidung, die hohen ökologischen und ethischen Anforderungen entspricht. Jeanette und Mareike gehören zu einer neuen Generation von „grünen“ Designern, die dafür sorgt, dass Öko-Mode ihr angestaubtes Image verliert.

Das „WESEN“ ist der einzige Modeladen in der Weserstrasse bisher.

Tschüss Friedrichshain

Durch Zufall sind Jeanette und Mareike auf den Laden in der Weserstraße aufmerksam geworden. Eine Freundin der beiden wohnt im Hinterhaus und erzählte von leer stehenden, aber ziemlich verwahrlosten Räumen im Erdgeschoss. Jeanette verkaufte ihre Marke „Treches“ zuvor in Friedrichshain, ist nun aber froh, Laden und Arbeitsraum in der Nähe ihrer Wohnung zu haben. „Friedrichshain ist einfach langweilig geworden“, so die gebürtige Norwegerin, die seit fünf Jahren in Neukölln lebt. Kennen gelernt hat sie Mareike bei einer Messe für grüne Mode. Beide verwenden ausschließlich zertifizierte Öko-Stoffe, die sie teilweise selbst färben oder bedrucken, da das Angebot bei weitem nicht so riesig ist wie bei normalen Stoffen. Auf Chemie und Synthetik wollen Jeanette und Mareike verzichten. Dass man da aber auch an Grenzen geraten kann, musste Jeanette feststellen: Sie konnte bisher keine Bio-Farbe finden, mit der man Stoffe bedrucken kann. In diesem Punkt muss sie deshalb Abstriche machen und auf herkömmliche, chemische Farbe zurück greifen.

Mit der Leidenschaft für verschiedene Drucktechniken hat Jeanettes Karriere als Modemacherin in Berlin angefangen. Auf dem Flohmarkt am Boxhagener Platz verkaufte sie Shirts und Stoffe mit ihren eigenen Prints, erst später auch selbst genähte Teile. In Oslo hat sie Kunstgeschichte studiert und eher durch Learning by Doing heraus gefunden, wie man Kleidung herstellt. „Und viele, viele Fehler gemacht“, so Jeanette. „Von meinen Praktikanten konnte ich am Anfang noch einiges lernen.“ 2008 gründete sie das Label „Treches“, etwa zur selben Zeit, in der Mareike mit „Format“ begann. Obwohl Mareike durch ihr Modedesign-Studium an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin eher auf die industrielle Fertigung von Kleidung vorbereitet worden war, wollte sie sich selbstständig machen.

Mittlerweile sind die Sachen von „Treches“ und „Format“ in einigen Läden in ganz Deutschland erhältlich, doch bis dahin war es ein langer Weg. „Das war echt die schwerste Zeit,“ erinnert sich Mareike, „bis man einige Läden gefunden hat, die einem die Sachen abnehmen.“ Ein Stück weit Unabhängigkeit versprechen eigene Online-Shops und natürlich das „Wesen“, in dem die beiden Designerinnen einen Platz zum Experimentieren gefunden haben.

„Wesen“
Weserstraße 191
werktags 11-19 Uhr geöffnet
http://www.treches.com/
http://www.format-favourites.de/

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Freitag, 22. Juli 2011