Feministischer Frühling?

Diskussionsteilnehmerinnen von links nach rechts: Hannah Wettig, Nicole Tomasek, Hoda Salah

Gibt es einen eigenständigen „islamischen Feminismus“ und wie ist die Situation von Frauen in Ägypten nach dem Arabischen Frühling? Diesen Fragen widmete sich letzten Freitag die „Dschungelbar“ im Laidak.

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Montag, 15. Juli 2013

Bereits zum achten Mal lud letzten Freitag die Jungle World zur „Dschungelbar“ ins Laidak. Dieses Mal Thema des Abends: „Feminismus im Arabischen Frühling“. Genauer gesagt die Frage nach der gegenwärtigen Situation der Frauen in Ägypten und was es eigentlich mit dem sogenannten „islamischen Feminismus“ auf sich hat. Unter der Moderation von Nicole Tomasek, Auslandsredakteurin der Jungle World, waren dafür die ägyptisch-deutsche Politikwissenschaftlerin Hoda Salah und die Journalistin und Publizistin Hannah Wettig als Expertinnen geladen. Gekommen waren zudem circa 30 eher jüngere Interessierte, dabei ungefähr gleich viele Frauen und Männer, um die Redebeiträge der Diskussionsteilnehmerinnen zu hören.

Unter diesen Beiträgen waren dabei besonders Salahs Innenansichten zur aktuellen Lage in Ägypten interessant. Sehr detailliert konnte diese die derzeitige Situation der Frauen in Ägypten schildern, womit sie deutlich tiefere Einblicke gewährte, als dies in unseren Medien gemeinhin der Fall ist.

Kleiner Wandel oder zurück zur Tradition?

So bestritt sie etwa die These von der neuen Vergewaltigungswelle in Ägypten. Wie sie auch grundsätzlich glaubt, dass sich die Situation für Frauen in Ägypten in letzter Zeit nicht wieder verschlechtert hat. Aufgrund des Wandels seien viele Frauen nun jedoch erst bereit, Missbrauch auch lautstark anzuprangern, wo sie ihn bisher schweigend erduldeten. Sogar selbst unter den islamistischen Aufständigen dieser Tage seien auf einmal Frauen zu finden, wo es früher nur Männer gab. Denn auch wenn diese verschleiert seien, ist auch dies ein kleiner Fortschritt in Salahs Augen. Ein weiterer gesellschaftlicher Wandel von unten brauche jedoch einfach noch mehr Zeit.

Etwas anders sah dies Hannah Wettig, die die zurzeit äußerst schlechte wirtschaftlichen Lage in Ägypten ins Blickfeld rückte. Denn nachdem ihrer Ansicht nach in den letzten Jahren „eine Art sexuelle Revolution stattgefunden“ hat, komme es bei vielen ökonomisch Betroffenen nun zu einem Backclash: „Die Modernisierungsverlierer sind wütend und wollen die gesellschaftliche Veränderung nicht“. Das habe zur Folge, dass diese Männer versuchten, sich die Frau und ihren Körper wieder anzueignen.

Verzerrte Wahrnehmung im Westen

Trotz der interessanten Einblicke, die die beiden Expertinnen lieferten, gab es jedoch auch durchaus Grund zur Kritik. So waren die einzelnen Redebeiträge oft deutlich zu lang und wirkten aufgrund der Fülle an unterschiedlichen Themen und Ansätzen teils konzeptlos. Kürzere Redezeiten und stärkeres thematisches Lenken durch die Moderation hätten hier sicherlich zu einem besseren Verständnis beigetragen.

Doch auch so wurde mancher Punkt sicher deutlich. Etwa Hoda Salahs Ansichten zum „islamischen Feminismus“. Dieser sei ein neues und eigenständiges Phänomen, den Kampf für geschlechtliche Gleichberechtigung mit den Lehren des Islam zu vereinen. Er beinhalte jedoch mehrere verschiedene Strömungen, die von äußerst konservativen bis zu liberalen Ansichten reichen, was die Auslegung der heiligen Schriften betrifft. Daher kritisierte sie auch die Wahrnehmung in der westlichen Welt, wo vor allem der radikale Teil gesehen würde. Dieser mache letztlich jedoch nur einen kleinen Teil aus.

Auch Wettig konzentrierte sich eher auf die Gemeinsamkeiten der Bewegungen. So kann es ihrer Ansicht nach gar keinen Unterschied zwischen arabischem und westlichem Feminismus geben, geht es letztlich doch immer darum, die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zu erlangen.

Einen anderen Punkt kritisierten die beiden am Ende dennoch einvernehmlich: Das Auftreten westlicher  Femen-Aktivistinnen in Tunesien in alter Kolonialherrenart. Kritisiert wurde dabei vor allem deren bevormundendes Auftreten gegenüber den einheimischen Aktivistinnen, wo diese auch selbst für ihre Rechte eintreten können. Von der Form des Protests ganz zu schweigen. Und wo es an anderen Stellen des Abends ausufernd wurde, gab es die Botschaft in diesem Fall kurz und deutlich.