Trauma Trump

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Oly (Mitte) wollte sich mit dem US-Wahlergebnis nicht einfach so abfinden und organisierte die Demo „Pussy Grabs Back“.

Auch in Neukölln haben viele Menschen gegen das Ergebnis der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen demonstriert. Warum? Ein Besuch bei der Demo „Pussy Grabs Back“. (mehr …)

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Freitag, 18. November 2016

Text: Katharina Wiegmann, Fotos: Oliver Feldhaus

Oly Stash steht alleine auf dem Hermannplatz. Eine hagere, schmale Erscheinung mit schwarzer Wollmütze, die bis kurz über die Ohren reicht, schwarzer Jacke, und weiter schwarzer Hose mit gelben Längsstreifen. Neben ihr liegen Plakate, noch unbeschriftet. Es ist Viertel vor eins. In fünfzehn Minuten soll es los gehen. Bei Facebook haben 936 Menschen angekündigt, dass sie zu der Demonstration unter dem Motto „Pussy Grabs Back“ kommen werden, 2.700 weitere haben zumindest Interesse bekundet.

Oly, die alles im Alleingang organisiert hat, lebt seit drei Jahren in Berlin, ist halb Amerikanerin, halb Irin, und gerade ziemlich nervös. Sie wundert sich, dass noch niemand da ist. „Können wir uns setzen? Ich habe gerade ziemliche Magenkrämpfe.“ Am Mittwochmorgen stand fest, dass Donald Trump der 45. Präsident der Vereinigten Staaten wird. Da war Oly klar, dass sie etwas tun muss. Über soziale Netzwerke mobilisierte sie ihre Freunde und meldete die Demo bei der Stadt an.

Protest gegen das Symbol Trump

„Trump ist ein Symptom von weißen Überlegenheitsgefühlen, des Kolonialismus, der Sklaverei, einer neoliberalen Wirtschaftsordnung.“ Es geht der 24-Jährigen nicht so sehr um die Person Trump, sondern um das, wofür er steht. „Es ist ein Protest gegen Gewalt, die er passieren lässt. Seine Anhänger sind eigentlich unheimlicher als er selbst.“ Im Aufruf zur Demonstration hat sie sich insbesondere an queere Menschen gewandt, die LGBT-Gemeinschaft, an Schwarze, Muslime, Latinas, Asiaten, an Frauen, Geflüchtete „und alle anderen marginalisierten Menschen auf diesem Planeten“. Was Oly sich von der Demonstration heute erhofft? „Vor allem, dass wir miteinander sprechen, einen Dialog führen.“

Die ersten Teilnehmerinnen, die an diesem Samstag kommen, sind sich auf den ersten Blick alle recht ähnlich – meist Studentinnen in ihren Zwanzigern. „Ich will ein Zeichen der Solidarität setzen“, antwortet Lena auf die Frage, warum sie hier sei. Sie findet, dass die Wahl Donald Trumps nicht nur Amerikaner betrifft. „Das rechte und nationalistische Gedanken immer mehr Einfluss gewinnen, ist ein globales Phänomen.“

Gegen Sexismus und für Solidarität gingen letzten Samstag mehrere Hundert Menschen auf die Straße.

Gegen Sexismus und für Solidarität gingen letzten Samstag mehrere hundert Menschen auf die Straße.

Langsam bildet sich eine kleine Menschentraube in der Mitte des Platzes, der eigentlich nicht viel mehr ist, als eine größere Verkehrsinsel in diesem Viertel, das mit seinen verschiedenen Subkulturen im kleinen ähnliche Probleme hat, wie die USA und viele andere Gesellschaften: Die Menschen bewegen sich in mehreren Welten, die parallel zueinander existieren; mit anderen Werten, Traditionen, anderen Medien, aus denen sie Informationen und Orientierung ziehen. Die türkischen Jungs, die mit ihren Daunenjacken und präzise rasierten Frisuren über den Platz laufen, leben in einem anderen Neukölln als Oly, die ihr Geld mit Drag-Performances verdient.

Untrump the world

Halb zwei. Ein Familienvater ist mit seinen beiden kleinen Töchtern gekommen, eine von ihnen trägt ein rot bemaltes Herz aus Pappe mit der Aufschrift „Untrump the world“. Ein Mann mit Fahrradhelm und neonfarbener Warnweste verteilt Flyer, die zur Teilnahme an antirassistischen Montagsdemonstrationen aufrufen. Zwei Transfrauen sind da, ein Mexikaner mit einer bunten Wolldecke über den Schultern, aber auch ein Mann, der mit gleich mehreren Plakaten vor „Zionisten“ warnt.

Oly schaut besorgt in seine Richtung, während sie den Polizisten, die pünktlich um 13 Uhr gekommen sind, die Genehmigungen für die Demonstration zeigt. „Ich bin verrückt“, hat sie vorhin gesagt, als sie erzählt hat, wie sie in den letzten beiden Tagen ganz alleine dafür geworben hat, dass Menschen hier heute zusammenkommen. Sie will nicht, dass jemand Hass sät auf ihrer Demonstration, die vor allem auch eine Gelegenheit sein soll, sich gegenseitig Trost zu spenden, und ein Ventil für die Gefühle zu finden, die nach der Wahl am Mittwoch bei vielen an die Oberfläche kamen.

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Die Botschaften richteten sich gegen das, wofür Donald Trump steht: Sexismus, Hass, Rassismus.

Gegen zwei Uhr klettert Oly auf den Sockel einer Skulptur auf dem Hermannplatz, greift zum Megafon und begrüßt die, die gekommen sind. Tausende sind es nicht, einige hundert aber bestimmt. Im Gespräch vorher hat sie viel darüber erzählt, was sie bewegt. Von der Hoffnungslosigkeit, die sie in den USA sieht. Die ganzen Schulden, keine Jobs, oder auf der anderen Seite Freunde, die 60 Stunden die Woche arbeiten müssen, um sich eine Krankenversicherung leisten zu können. Jetzt hält sie sich zurück und überlässt den anderen das Wort.

Die erste, die etwas teilen möchte, ist eine Muslima, die eine exzentrische Bomberjacke aus Ballonseide und ein Barett auf dem Kopf trägt. „Allahu Akbar heißt nicht, dass Gott der Größte ist, es heißt, Einheit ist Größe“, ruft sie ins Mikrofon und fängt an, auf arabisch zu singen. Ein Überraschungsmoment; die Menge hört andächtig zu. Als nächstes spricht ein Mexikaner, der in den USA lebt. „Ich verkörpere alles, wogegen sich Trump richtet.“ Man merkt ihm seine Wut, seine Verzweiflung an. Die Wortbeiträge sind kurz, es sind überwiegend persönliche Geschichten, keine Kampfreden erfahrener Politaktivisten. Eine junge Frau, die mit ihrem Parka und der Carhartt-Wollmütze einen typischen Berliner Studentinnentyp verkörpert, erzählt, dass sie mit 13 Jahren vergewaltigt worden ist und neulich einen kleinen persönlichen Sieg feierte: Einer Bekanntschaft, die zu aufdringlich wurde, brach sie die Nase. Pussy strikes back. Die Menge applaudiert ihrem Mut. Donald Trump steht für sie auch für Sexismus.

Auch Kritik an der Veranstaltung

Nicht alle verstehen, was die Demonstrantinnen und Demonstranten bewegt. „Was ist das denn für ein Quatsch“, schimpft ein Südafrikaner, während er sich einen Weg durch die Versammlung bahnt. „Das ist doch alles nicht neu, es waren schon viel Schlimmere an der Macht.“ Und was Trumps Sexismus anginge, solle man der Realität ins Auge schauen: „Wenn ich mit meinen Freunden im Club unterwegs bin, unterhalten wir uns auch nicht darüber, dass eine Frau ein schönes Kleid anhat. Da schauen wir auf andere Details und drücken uns anders aus.“ Auch auf Facebook gab es im Vorfeld Gegenwind für die Veranstaltung. Es sei nicht richtig, gegen einen demokratisch gewählten Präsidenten zu demonstrieren. Oly und den anderen geht es aber nicht darum, dass sie sich unbedingt Hillary Clinton als Präsidentin gewünscht hätten. „Sie war auch eine furchtbare Kandidatin. Das System dient nicht mehr den Menschen. Es ist kaputt.“

Während um sie herum diskutiert wird, lehnt sich Oly an die Säule der Statue und lächelt entspannt. Es sind nicht so viele Leute gekommen, wie sie erwartet hatte. Manche haben die Veranstaltung auf dem Podest auch kritisiert, wie die ältere Dame, amerikanische Jüdin und Historikerin, die meinte, es reiche nicht, zusammen Liebeslieder zu singen, die Situation erfordere längst anderes. Aber immerhin: es wurde geredet.

Langsam zerstreut sich die Gruppe. „Ey sagt mal, will Trump echt eine Mauer bauen?“ fragt ein Mädchen ihre Freundinnen, alle mit Kopftuch, als sie die Plakate der Demonstranten sehen. „Keine Ahnung“ antwortet eine aus der Gruppe. Ein paar Meter weiter packen gerade ein paar fromme Muslime die Koran-Exemplare ein, die sie heute nicht losgeworden sind.

Katharina Wiegmann (@kat_wiegmann) ist Redakteurin bei der Prager Zeitung. Zusätzlich berichtet sie auf pragtransit.com aus Prag und Tschechien. Im November 2016 war Katharina für einen Volontärskurs an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin, in dessen Rahmen diese Reportage entstand.