Zwischen Ferienappartements und Touristen-Hassern

Klackernde Rollkoffer, Xenophobie und Easy-Jet-Setter: Noch tut sich Berlin schwer in der Rolle als Tourismusmagnet. Die Filmemacherin Nana Rebhan geht in ihrem neuen Doku-Projekt Welcome, Goodbye! dem Tourismus in der Stadt nach. Ein Interview in Zusammenarbeit mit dem tazblog m29.

(mehr …)

Montag, 16. April 2012

Seit 10 Jahren lebt die Filmemacherin Nana Rebhan inzwischen in Neukölln. Der Bezirk ist nicht nur ihr Zuhause, er ist auch Schauplatz ihrer Dokumentarfilme. Für ihre erste längere Dokumentation zog Nana Rebhan mit Kamera und Tonmann durch die Neuköllner Hasenheide und zeichnet ein Bild des Parks, das mehr zeigt, als den berüchtigten Drogenumschlagplatz. Sie zeigt ein Naherholungsgebiet, indem Spaziergänger auf Jogger treffen und Hunde auf Kaninchen und Füchse. Ein Park, der als Kulisse für Fotoshootings dient, genauso wie für Sonnenbadende Nudisten. Ein Park, in den man picknickt, liest, chillt, feiert und sich mit Freunden trifft. Im September 2010 hatte Nana Rebhan’s Film Berlin: Hasenheide Premiere im Moviemento.

Seit einiger Zeit wird Nana Rebhan immer öfter von Rollkofferklackern und philosophierenden Franzosen, Spaniern und Italienern geweckt. Mit der ungewohnten Geräuschkulisse vor ihrer Haustür fand sie ihr neues Thema: Tourismus in Berlin.

m29: Nana, wie kamst du zum Filmemachen?

Nana Rebhan: Ich habe als Kind angefangen zu Fotografieren, doch das war mir irgendwann zu wenig. Beim Film kommt mehr zusammen – Bild, Ton, Bewegung. Dann habe ich an der DFFB studiert und meinen Fokus, wenn es ging, auf Dokumentarfilm gelegt.

Warum hast du einen Film über die Hasenheide gemacht?

2006 wurde an der Hasenheide ein Polizist von einem Taschendieb erschossen. In der öffentlichen Berichterstattung wurde die Tat fälschlicherweise immer wieder mit dem Drogenhandel in der Hasenheide in Verbindung gebracht. Neukölln wurde medial als Getto abgestempelt und ich wurde oft gefragt, ob ich nicht Angst hätte, in Neukölln zu leben. Da ich in der Hasenheide immer jogge und den Park auch anders kenne, wollte ich zeigen, dass die Hasenheide mehr ist als ein Drogensumpf.

2010 hat dein Film Premiere gefeiert. Hast du damals schon am nächsten Projekt gearbeitet?

Ja. Die Dreharbeiten zu Berlin: Hasenheide waren Ende 2008 abgeschlossen. Auch wenn der Film 2009 noch geschnitten werden musste, hatte ich Zeit, mir etwas Neues zu überlegen. Eigentlich wollte ich mit einem Bekannten einen Film über die Veränderungen in Neukölln machen. Der Bezirk hat ja in wenigen Jahren eine krasse Wandlung vollzogen. Eben noch Getto, plötzlich Kiez für Künstler, Studenten und junge Familien. Dann wurde mein Bekannter Vater und das Projekt verlief ein bisschen im Sand. Mit den Veränderungen in Neukölln kamen aber auch die Touristen. Immer öfter hörte ich das Geklacker von Rollkoffern und Sprachen wie Englisch, Französisch, Spanisch, die man vor einigen Jahren noch nicht im Schillerkiez vernommen hat. Als ich anfing, mich mit dem Tourismus in der Stadt zu beschäftigen, hatte ich auch das Gefühl, dass alles irgendwie zusammenhängt. Der Tourismus, die Veränderungen in den Kiezen und Gentrifizierung.

Dem Tourismus wird in Berlin ja eher gespalten gegenüber gestanden.

Ja, das ist sehr interessant. Der Senat will, dass die Übernachtungen bis 2020 Berlin auf 30 Millionen ansteigen. Der Tourismus b

ringt Geld in die Stadt. Gleichzeitig vertreten viele Leute xenophobe Positionen. Tendenziell gibt es in Berlin schon so eine Anti-Tourismus-Haltung.

Trailer zu Welcome, Goodbye!

Ich fuhr mit dem Fahrrad letztens an einem Haus an der Grenze Treptow/Neukölln vorbei und da steht am Hauseingang die Parole „Touristen fisten“.

In der Tourismusdebatte geht es zum Teil wirklich hart zu. Dabei kommen ja sehr viele Leute nach Berlin. Nicht nur aus dem Ausland, auch aus Deutschland ziehen viele Menschen hier her. Und gerade unter Zugezogenen scheint es starke Abwehrmechanismen gegen den Tourismus zu geben. Im Wrangelkiez zum Beispiel gibt es regelrecht eine ‚Touristen-raus’-Bewegung. Es ist interessant, dass gerade Linke und Zugezogene so einen Konservierungswunsch haben. Es scheint, als würden sie am liebsten eine Glocke auf ihren Kiez stülpen oder die Zeit in die 80er Jahre zurückdrehen wollen.

Was denkst du, wovor haben die Berliner denn Angst, warum trauen sie dem Tourismus nicht?

Es gibt allerlei Bedenken. Viele befürchten, dass durch den Tourismus die Einzigartigkeit der Kieze zerstört wird oder dass die Atmosphäre und die Freiräume verloren gehen. Einige glauben auch, dass Touristen Schuld an der Gentrifizierung tragen.

Welcome, Goodbye! soll dein neuer Film heißen. Wie geht der Film mit dem Thema Tourismus in Berlin um?

Ich habe schon ein paar Interviews, u.a. mit dem Kolumnisten Harald Martenstein, mit Christian Ströbele, dem Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg Franz Schulz, dem niederländischen Journalisten Rob Savelberg und Martin Reiter vorgedreht. Tilman Birr wird als eine Art Reiseleiter durch Berlin führen. Der Film soll das Thema von vielen Standpunkten aus betrachten. In Episoden möchte ich unterschiedliche Leute durch Berlin begleiten. Vom Easy-Jet-Setter, der fürs Wochenende zum Feiern nach Berlin kommt, über das ältere Ehepaar, das Berlin wegen der Kultur besucht, bis hin zu Leuten, die in der Tourismusbranche arbeiten, daran gut verdienen oder ausgebeutet werden. Es wird im Film einen Mann geben, der inzwischen als einziger Mieter in einem Haus im Prenzlauer Berg wohnt. Alle anderen Wohnungen sind private Ferienappartements. Spannend fände ich auch, wenn sich ein ‚Tourismus-Hasser’ äußern würde.

Du hast also noch nicht alle Protagonisten?

Nein, wir suchen noch. Wer also in der Tourismusbranche arbeitet oder gegen den Tourismus ist, kann sich sehr gerne melden.

Dein Film soll ja in Teilen über Crowdfunding finanziert werden.

Das hat sich ergeben. Anfang Februar traf ich den Geschäftsführer von der Crowdfunding-Plattform startnext und wir kamen ins Gespräch. Er fand mein Projekt so spannend, dass er angeboten hat, es zum Leuchtturmprojekt zu machen. Dann ging alles ziemlich schnell. Während der Berlinale stellte ich den Film beim Digital Filmcamp vor und am 1. März ging das . 30.000 € sollen so zusammen kommen. Ein Film zu machen ist ja wirklich eine teure Angelegenheit. Ein realistisches Budget wurde ungefähr das Doppelte umfassen. Mit den 30.000 € kann ich anfangen zu drehen, für die Finanzierung der Postproduktion müssen wir dann noch weiter gucken. Aber ich möchte den Film unbedingt machen.

Website Nana Rebhan:  www.welcomegoodbye.de,

E-Mail: info (at) welcomegoodbye.de