Schießen für die Kunst

Der Künstler Michael Ammer ist im Rest der Welt noch ein Geheimtipp, in Neukölln aber schon sehr gefragt. Das zeigte sich bei der Auktion seines Gesamtwerks.

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Montag, 10. Dezember 2012

Dicht drängt sich die Neuköllner Bohème im Atelier Kunst-Moment an diesem Donnerstagabend. Gerade wird eine Kollektion aus Michael Ammers „Rössler-Phase“ versteigert. Drei Portraits sind auf Schreibblöcke des gleichnamigen Getränkefachmarkts gezeichnet und hinter Plexiglas konserviert. Die Auktion beginnt bei vier Euro. Doch schnell sind es mehr. Ein anonymer Telefon-Bieter aus dem Ausland treibt den Preis in die Höhe. Verzweifelt versucht Christoph Dorn – er soll ein großer Ammer-Kenner sein – mitzuhalten. An der Bar lehnend, reckt er beständig seinen Arm für ein neues Gebot in die Luft. Bei 15 Euro steigt auch Fantomas, der Mann mit Hut aus der VIP-Lounge, ein. Er hat schon einige Ammer-Werke für den Flur seiner Wohnung erstanden, nun will er seine Sammlung komplettieren. Die Stimmung im Raum ist angespannt. Misstrauisch beäugen sich die Konkurrenten. Bei der Auktion geht es nicht mehr um Kunst, auch nicht um Weltfrieden, es geht um männliche Ehre. Doch die ist verloren, als die Kollektion für 20 Euro an den Telefon-Bieter geht. Dieser erweist sich als die stolze Mutter des Künstlers, Bärbel Ammer aus Bayern.

Rekordpreis für Goetheblut

Als nächstes steht eine Goetheblutpanzer-Kollektion zum Erwerb. Michael Ammer zeichnete die Panzer-Bilder betrunken in einer Bar, wie auch den Rest der Ausstellungsstücke. Tresenbilder heißen sie. Die meisten zeigen Gestalten und Gesichter, manche mit Gasmasken oder Augenklappen. Entstanden sind sie in Ammers Zeit als Barkeeper im Valentin Stüberl. Hier malte er „Bruchteile von Gefühlen“, wie er sagt, „nur so zum Spaß, beim Trinken und Reden mit Freunden“. Von denen sind die meisten anwesend und versuchen eins der gefragten Werke zu erstehen. Abschrecken lassen sie sich auch von dem Einstiegsgebot von 20 Euro nicht. Bärbel Ammer bietet wieder telefonisch mit, auch Christoph Dorn ist dabei. Doch diesmal lässt sich Fantomas nicht irritieren und überbietet alles und jeden. Seine Beharrlichkeit lohnt sich. Der Zuschlag für die Goetheblutpanzer-Kollektion geht für 28 Euro an die VIP-Lounge.

Nach der Auktion – Restbestände erschießen

Der Ammer-Fan Dorn ist dennoch mit dem Ergebnis der Auktion zufrieden. Schließlich hat er einige „ziemlich gute Sachen“, wie er selbst sagt, bei „Ammer unterm Hammer“ erworben. Erfreuen wolle er sich daran, doch merkt man ihm den umtriebigen Geschäftsmann an: „Der Grundgedanke ist die Kapitalanlage, da will ich nicht drum herumreden.“ Doch der Künstler Michael Ammer hat auch an die weniger Begüterten gedacht. Zum Schluss können alle, die leer ausgegangen sind, eins der übrigen Bilder erschießen. Mit einer Spielzeugpistole zielen sie aus etwa vier Metern Entfernung auf die Kunstwerke. Fällt eins um, dürfen sie es behalten – inklusive Einschussloch.

Fotos von Nora Kusche und Sabine Ammer