Die Boten des Verfalls

Der Photograph Philipp Strigel sucht in seiner Austellung „Die Stühle des Ozymandias“ nach der Stille im pulsierenden Leben Berlins.

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Donnerstag, 17. Mai 2012

Ein Wanderer reist durch die Wüste, entdeckt dort er eine alte, steinerne Statue. Rumpflos steht sie da, Bein an Bein. Daneben liegt der Kopf. Eine Inschrift ist zu lesen:

Mein Name Ist Osymandias, aller Kön’ge König: –

Seht meine Werke, Mächt’ge, und erbebt!

Doch um die Statue herum ist nichts als Wüste, Leere. Das große Imperium des Ozymandias, der griechische Name des Pharaos Ramses II., ist verschollen.

Das Gedicht „Ozymandias“ von 1818 gehört  zu den berühmtesten Werken des britischen Poeten. Es beschreibt die Vergänglichkeit jeder Macht, wie übergreifend sie gleichwohl gewesen sein mag. Der Photograph und Möbeldesigner Philipp Strigel hat dieses Werk als Grundthema seiner ersten Ausstellung „Die Stühle des Ozymandias“ im „WerkStadt Kulturverein“ in der Emser Straße gewählt.

Im Gegensatz zu Shelley stellt Strigel das Machtempfinden nicht durch die großen Monumente unserer Zeit dar, sondern sucht es in Alltagsgegenständen. Konkret, in Sitzmöbeln. Stühle, Sessel, Sofas. Sie sind eines jeden Thron in einer Gesellschaft des Individualismus, in der Selbstsdarstellung den König krönt. In der Vergänglichkeit den Alltag bestimmt.

Stille nach dem Rausch

Atmosphäre der Einsamkeit

In der pulsierenden Metropole Berlin sucht Strigel die Momente des Verfalls. Orte, an denen der Abfall der ständigen Erneuerung dieser Stadt lagert, die soviel auf sich und ihren ständigen Wandel hält. Durch die Kontextualisierung mit Shelleys Gedicht wirken seine Aufnahmen wie ein Mahnmal an die Vergänglichkeit des Jetzt. Zugleich beanspruchen diese Bilder aber – weil dies der Photographie stets innewohnt -, diese Vergänglichkeit aufzuhalten. Ein Vorhaben, dessen Scheitern letztlich selbsterklärend ist. Dadurch entsteht eine Atmosphäre der Einsamkeit, der Ernüchterung, der Stille nach dem Rausch.

Strigel entdeckt diese Orte der Vereinsamung, verändert sie nicht, kreiert aber, etwa durch Nachbearbeitung, eine Inszenierung. Nur bei einem Bruchteil der neun ausgestellten Bilder verfällt diese in die Banalität des Alltags. Meist weicht seine Bildsprache deutlich von dem ab, was aktuelle Street Photography häufig darstellt. Jenseits der oft erzwungenen Effekthascherei, der gerade in dieser Stadt in ihrer Anzahl explodierenden Photoblogs, sucht Strigel die Momente der Poesie. Ein vergessener Stuhl wird hier zu mehr als zu einer Trophäe des Objektivs.

„Die Stühle des Ozymandias“, WerkStadt Kulturverein Berlin, Emser Straße 124, bis 29. Mai.