„Auch Jay-Zs Wohnzimmer soll eine pastorale Akustik haben“

Korhan_inside_tank Das Label bohemian drips hat sich zur Aufgabe gemacht, besondere Musiker mit besonderen Räumlichkeiten zusammenzubringen und mit Hilfe binauraler Kunstkopf-Technologie einzigartige Klangerlebnisse auf Vinyl zu schaffen. Nach dem Debut im letzten Jahr erscheint nun der Nachfolger: „bohemian drips presents: Marika“.

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Dienstag, 4. August 2015

Text: Debbie Blume

Nach dem Erstlingswerk des Labels bohemian drips („Zuhause im Weltall“) haben es die umtriebigen Köpfe dahinter wieder getan – der Nachfolger ist fertig und bereit für die Veröffentlichung am 7. August. 180 Gramm Vinyl, eine Band, zwei Tracks. Der Titel: „bohemian drips presents: Marika“.

Das Jazztrio Marika aus Istanbul, bestehend aus Korhan Futaci (Saxophon), Berke Can Özcan (Schlagzeug) und Barlas Tan Özemek (Bass), lässt sich musikalisch wohl am besten im Free Jazz verorten. So spiegeln dann auch die beiden Tracks der Platte („The Wolf“ und „The Sheep“) die Idee des Genres wider: freie Improvisation und Interpretation des Jazz, hier durchaus düster und experimentell umgesetzt.

Wie bereits die erste Platte wurde auch die aktuelle mit binauraler Kunstkopf-Technologie aufgenommen, die dafür sorgt, dass sich der Hörer wie ein Teil des Geschehens fühlt – so, als sei er unmittelbar bei den Aufnahmen dabei. Diese fanden diesmal im Sudhaus der ehemaligen Kindl Brauerei in Neukölln statt, das dank seiner Architektur ein imposantes Klangerlebnis erzeugt.

Wir haben uns von Alexander Meurer, der zusammen mit Philip Vingerhoets, Lasse Kuhlmann und Nikolaus Götz das Label bohemian drips betreibt, in die akustischen Geheimnisse des Kindl-Sudhauses einweihen lassen.

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„Das Sudhaus bietet ein unglaubliches akustisches Ambiente“

neukoellner.net: Man sagt ja, die zweite Platte sei die schwerste. Würdest du das bestätigen?
Alexander Meurer: In unserem Fall muss ich da widersprechen. Tatsächlich ging uns die Produktion von Marika um ein vielfaches leichter von der Hand als ein paar Monate vorher bei „Zuhause im Weltall“ (wir berichteten). Einer der Gründe ist sicherlich, dass wir uns diesmal voll auf eine einzelne Band konzentrieren konnten und nicht mehrere Sessions mit verschiedenen Künstlern organisieren mussten. Natürlich konnten wir auch auf Erfahrungen, die wir bereits gemacht hatten, zurückgreifen, insofern waren wir in vielerlei Hinsicht ein eingespieltes Team, das wunderbar mit der Band und der Location harmoniert hat.

Wie ist die Zusammenarbeit mit Marika entstanden? Kanntet ihr euch schon vorher oder seid ihr erst für das Projekt zusammengekommen?
Ich war letztes Jahr in Istanbul und habe dort Ulas Shalgam kennengelernt, die ihrerseits Managerin und Tourbookerin von Marika ist. Sie lud mich zu einem Konzert von Konstrukt ein. Damals spielte nur Korhan in dieser Kombo, mittlerweile sind Berke und Barlas auch fester Bestandteil. An diesem Abend spielte jedenfalls Konstrukt mit der Kontrabass-Legende William Parker im „Nazim Hikmet Kültür Merkezi“ in Kadiköy auf der asiatischen Seite. Während dieses Konzertes bin ich viermal um den Saturn geflogen und als Ulas mir sagte, dass Korhan Teil von Marika ist, musste ich ihr einfach zusichern, dass wir ein Konzert mit ihnen in Berlin veranstalten werden, wenn sie auf Tour sind. Das war dann auch recht bald, wir haben uns sofort angefreundet und den Tag, den wir mit ihnen frei hatten, haben wir für die Aufnahmen genutzt.

Wie du eben schon selbst gesagt hast sagst: Letztes Mal waren mehrere Künstler auf der Platte vertreten, darunter auch ihr selbst mit eurer Band Kolophonium. Diesmal sind es „nur“ Marika. Hat das einen speziellen Grund? Und: Hattet ihr nicht selbst auch Lust, noch einmal eigene Musik aufzunehmen?
Richtig, mit Kolophonium waren wir auf der ersten Platte auch präsent. Dieses Mal haben wir uns allerdings bewusst in die Rolle der Produzenten begeben und haben uns voll auf die Band und das Endprodukt konzentriert. Klar hätten wir gerne auch im Sudhaus Musik gemacht, wer nicht, aber unsere Aufmerksamkeit galt zu 100% der Band, ihrer Interaktion mit dem Raum und unserem zweiten Release auf bohemian drips. Dadurch haben wir auch unser Konzept weiter ausdefiniert. Wir erschaffen einmalige Ereignisse, indem wir Musiker in einen neuen Kontext versetzen und ihnen somit einen neuen Rahmen für ihren musikalischen Ausdruck bieten.

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Korhan Futaci am Saxophon

Wie kam es denn zu den Aufnahmen im Sudhaus? Letztes Mal habt ihr ja in einem Gang unter der alten Kindl-Brauerei aufgenommen.
Stimmt, die Kindl-Brauerei befindet sich genau über diesem Gang, in dem die erste Platte entstanden ist. Die Brücke zum sinnbildlichen „Aufstieg“ von bohemian drips liegt jetzt natürlich auch relativ nahe. Tatsächlich wird die Brauerei jetzt als „KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst“ betrieben. Wir haben das Kuratoren-Team kontaktiert und ihnen unsere Idee und das Konzept vorgestellt. Das stieß auf positive Resonanz und dank ihrer Unterstützung konnten wir unser Projekt dort verwirklichen.

Unterscheiden sich denn die beiden Orte voneinander, insbesondere was den Klang angeht?
Ja, das tun sie, dramatisch sogar. Das Sudhaus ist mit seiner Höhe und den sechs massiven Kupfertanks nicht nur optisch sehr beeindruckend, es bietet auch ein unglaubliches akustisches Ambiente. Der Klang ist hallreich, bleibt aber dennoch definiert. Die Akustik passte perfekt zu den Musikern. Korhans expressive Saxophon-Improvisationen resonierten mit den riesigen hohlen Tanks, Berkes Schlagzeugspiel schien durch den Raum zu schweben, ließ jedoch nicht an Kontur missen, während Barlas‘ arabeskes Bassspiel die Kompositionen im tieffrequenten Bereich erdete.

Nun habt ihr ja wieder in Neukölln und auf dem KINDL-Gelände die Aufnahmen gemacht. Gerade im Hinblick auf die besondere Kunstkopf-Technologie gibt es ja aber sicher noch andere Orte, an denen ihr gerne mal eine Platte aufnehmen würdet, oder?
Tatsächlich hatten wir bereits eine weitere Aufnahme-Session, zwar auch in Berlin, aber wir haben uns aus Neukölln rausgewagt. In einen Wasserspeicher. Uns interessieren natürlich Orte mit besonderer Akustik, wobei diese natürlich auch zu den Musikern passen sollten. Es gibt zum Beispiel leere unterirdische Öltanks, die wir uns gerne mal von innen ansehen würden, oder einige Höhlen in den Alpen, oder klar, Kirchen, der Kölner Dom, das Taj-Mahal, aber auch Jay-Zs Wohnzimmer soll eine pastorale Akustik haben. Wir planen gerade zwei weitere Aufnahmesessions im Ausland, mehr können wir allerdings gerade nicht verraten.

Eine weitere Aufnahme-Session in einem Wasserspeicher hattet ihr schon, dann ist also die dritte Platte in Arbeit? Kannst du da schon verraten, welche Künstler ihr aufgenommen habt?
Ja, „Kulku“ aus Berlin.

„bohemian drips presents: Marika“
Release Event am 7. August 2015 im Bei Ruth

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