Die Anzüge des Herrn Mogg

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Zu lange Hosen und zu weite Sakkos sieht er als häufigsten und schlimmsten Fauxpas in der Männermode: Maximilian Mogg.

Mode und Neukölln passen nicht für jeden unmittelbar zusammen. Für den 24-jährigen Maximilan Mogg ergibt dies keinen Widerspruch. Umringt von einst teuren Londoner Savile-Row-Anzügen sprachen wir mit dem stets adrett gekleideten Herrn über den Streetstyle im im Kiez, den richtigen Anzug und seine Kragenweite.

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Mittwoch, 21. Februar 2018

Fotos: Stefan Weger

Zuerst wirkt die Begrüßung per Handkuss im Hinterhof der Braunschweiger Straße befremdlich, fügt sich bald jedoch nahtlos in das Gesamtbild des jungen Herrn Mogg ein, wie er da mit übereinander geschlagenen Beinen im abgewetzten Ledersofa sitzt und im Plauderton über seine Leidenschaft erzählt.

Durch einen Anruf in London ist er mittlerweile sogar Exklusivhändler für Edward Sexton – dem legendären Schneider der Beatles und der Rolling Stones. Und all das von seinem Schlafzimmer aus.

neukoellner.net: Darf ich Sie nach Ihrer Kragenweite fragen?
Maximilian Mogg: Ich habe eine 39, aber dazu tierisch lange Arme. Also bin ich abgewandert von Ready-to-wear, was auch einer der Gründe ist, warum ich hiermit angefangen habe.

Aus welcher Situation heraus ist die Idee, Vintage-Anzüge zu Maßanzügen umzugestalten, entstanden?
Ich wollte mir immer schon alte Vintage-Anzüge kaufen und diese tragen. Mit 15 Jahren begann ich mit dem Umschneidern, da ich nie passende Sachen von der Stange fand. Später arbeitete ich in Köln in einer Privatbank. Dort haben die Kunden und Kollegen angefangen nachzufragen, woher ich meine tollen Anzüge bekomme und schon kamen die ersten Anfragen. Außerdem wussten viele nicht, wie sie die Kleidung richtig tragen und kombinieren sollten. Also begann ich mit meinem Blog.

Wie und wann haben Sie diese Leidenschaft entdeckt?
Ich habe einfach viel James Bond geschaut und mich hat dieser alte, edle Stil sofort total fasziniert. Die alte, britische Eleganz ist eigentlich immer durch ein Understatement geprägt. Damit hat mein Vorbild Edward Sexton gebrochen. Kleidung ist immer auch Wiedergabe von Kultur und Persönlichkeit.

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Das immer passendes Accessoire: Alte Uhren und Einstecktücher mit einem Hauch Parfum.

Was macht der richtige Anzug mit einer Person?
Der Anzug ist eigentlich ein sehr einfacher Kodex. Er ist wie eine eigene Sprache, mit der man sein Innerstes nach Außen kommunizieren kann. Jedes Detail eines Outfits kann man lesen. Für mich kommuniziert Kleidung immer. Ich kann keinen Film schauen, ohne darauf zu achten.

Warum Neukölln?
Neukölln beherbergt für mich eine unglaubliche Kreativität. Wäre ich jetzt nicht hier, wäre ich ein anderer Mensch. Es macht wahnsinnig Spaß, hier zu wohnen. Hier kann man jeden Tag etwas anderes tragen, alles probieren.

Laut Stilexperten ist gute Kleidung auch eine Frage der Höflichkeit. Ist ein Großteil der Berliner somit einfach unhöflich?
Nein, ich denke, es ist eine Frage der Prioritäten. In der deutschen Historie ging und geht es viel um Selbstfindung. Dies drückt sich in Kleidung aus. Viele tragen aber leider fast nur Schwarz und merken gar nicht, wie gleichförmig sie doch wirken. Berlin ist nicht unhöflich in dem Sinne, sondern eher cool und rotzig. Wenn ich unterwegs bin, bin ich nicht respektvoll, weil ich einen Anzug an habe. Ich bin respektvoll durch meine Taten. Ich grüße jeden – die Dealer vor der Tür, die Dame an der Kasse im Edeka – wir reden über das Wetter und ich schenke jedem Aufmerksamkeit.

Ist guter Stil eine Frage des Geldes?
Auf keinen Fall. Hier um Sie herum sehen sie den Widerspruch dazu. Für hundert Euro kann man sich Vintage top einkleiden und sieht super aus.

Und schon bekommen wir eine Führung in sein Beratungs-, Ankleide- und Schlafzimmer. Dreiviertel sind mit Kleiderstangen voller Anzüge, dazu passenden Schuhen und weiteren Accessoires bestückt. Nur in einer Ecke steht das ordentlich gemachte Bett, davor ein kleiner Schreibtisch.

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Zum Afternoon Tea bei der Queen, würde er einen blauen Doppelreiher wählen oder einfach den Stil von Prince Charles kopieren.

Was sind Ihre liebsten Orte außerhalb des Studios im Kiez?
Das Hallmann & Klee ist mein absolutes Lieblingscafé. Die Damen sind unglaublich nett, das selbst gebackene Brot ist super und der Kaffee auch. Im Bierbaron auf der Ecke und in der Billard-Bar ums Eck findet man mich oft. In der Bar Franzotti gehöre ich quasi fast zum Interieur.

Sieht man Sie immer im Anzug oder gibt es Gelegenheiten zu denen auch Sie leger gekleidet sind?
Ja, ab und zu. In der Schneiderei zum Beispiel. Da ist eine Krawatte unpraktisch. Aber ein Hemd habe ich eigentlich immer an. Außer, ich komme gerade vom Sport.

Welche Kleidungsstücke und Accessoires gehören unbedingt in den Kleiderschrank?

Für den Herrn ist eine alte Uhr wirklich ein schickes Accessoire. Ich habe zum Beispiel zu Weihnachten die alte Taschenuhr meines Großvaters bekommen. Ansonsten passt eine blaue, grenadine-farbene Krawatte immer super zum Anzug.

Wann haben Sie zuletzt etwas Neues ausprobiert und was war das?
Klavierspielen. Ich habe mir selbst ein Klavierbuch geschnappt und einfach begonnen herumzuklimpern, bis ich den ersten Song von Elton John konnte. Dann habe ich aufgehört.

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Overdressed ist immer besser als underdressed. Lieber steckt man die Krawatte noch in die Tasche, als keine dabei zu haben.

Glauben Sie an eine Trendwende hin zum Handwerk?
Ja, die Szene wird immer größer. Das haben auch die Schneider erkannt: Unsere Welt wird immer mehr casual, aber die Menschen wollen gerne eine Sache, die qualitativ gut ist in ihrem Kleiderschrank haben und die sie gut kombinieren können. 
Ich selbst mache gerade zwei Tage pro Woche eine Ausbildung im Maßatelier bei Purwin & Radczun. Ich lerne sozusagen “neu schreiben” mit der Nadel. Für mich ist es unheimlich wichtig, weil ich das Produkt so sehr liebe.

2017 ist sein Buch über die Londoner Straßen der Schneider erschienen: Savile Row und Jermyn Street. Ein Guide, der helfen möchte, wie der Herr zu seinem Stil findet. Das Atelier in der Braunschweiger Straße gibt es seit 2016.

Kontakt: maximilianmogg.de

 
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Kommentare:

  • Sehr beeindruckend – auch wie die lila (ist es lila?) Krawatte dem grauen Anzug einen neuen „shade of grey“ verleiht. Ich persönlich würde Elton John übrigens mit „h“ schreiben.

  • Fabian Friedmann sagt:

    Danke! Wir würden Elton John natürlich auch nur mit „h“ schreiben. Liebe Grüße vom neukoellner!

  • Xeira sagt:

    Im Anzug sieht MANN einfach nur gut aus. Es wäre toll wenn mehr leute wieder Anzüge auch im Alltag oder auch zum Ausgehen tragen würden. Die Lila Krawatte mit dem grauen Anzug ist eine super Komibantion, werde das demnächst auch probieren. Wie siehts aus mit Hosenträgern mit einen Anzug?